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Tischlerei-Kartell Ermittlungen abgeschlossen: Kartellobergericht gibt dem Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde Folge und verhängt eine Geldbuße iHv EUR 65.000 gegen die Tischlerei Pirkl

Das Kartellobergericht (KOG) befasste sich mit rechtlichen Fragen zum Doppelbestrafungsverbot und der Geldbußenbemessung nachdem die BWB und der Bundeskartellanwalt jeweils Rekurs gegen die teilweise abweisende Entscheidung des Kartellgerichts (KG) erhoben hatten. Auch die Antragsgegnerinnen, Josef Pirkl Gesellschaft m.b.H. u. Co. KG und die Josef Pirkl Gesellschaft m.b.H. (iF gemeinsam „Tischlerei Pirkl“) legten einen Rekurs zwecks Minderung der Geldbuße ein. Das KOG gab den Rekursen der Amtsparteien Folge und erhöhte die in erster Instanz verhängte Geldbuße.

Gegenstand der Ermittlungen

Im Jahr 2019 führte die BWB aufgrund von Hinweisen des Stadtrechnungshofs Wien Hausdurchsuchungen bei mehreren Unternehmen im Bereich Bau- und Möbeltischlerei durch. Die Unternehmen hatten im Zuge der Vergabe insbesondere öffentlicher Aufträge im Gesundheitswesens wettbewerbsbeschränkende Absprachen getroffen. Die Ermittlungen der BWB haben den Verdacht auf kartellrechtswidrige Verhaltensweisen bestätigt und bereits zu rechtskräftigen Entscheidungen gegen die Unternehmen Fürst Möbel GmbH, Norer Tischlereigesellschaft m.b.H, Krumböck GmbH und Lechner GmbH geführt.

Verfahrensverlauf

Im August 2022 beantragte die BWB die Verhängung einer Geldbuße gegen die Tischlerei Pirkl (Pressemeldung vom 05.08.2022).

Das KG gab dem Antrag der BWB nur teilweise statt und verhängte wegen der Beteiligung der Tischlerei Pirkl an kartellrechtswidrigen Verstößen in Form von Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Informationsaustausch mit Wettbewerbern im Bereich Bau- und Möbeltischlereien in Niederösterreich und Wien im Zeitraum Februar 2011 bis einschließlich Juni 2016 eine Geldbuße in Höhe von EUR 55.000.

Von dieser Geldbuße waren 26 der insgesamt 43 festgestellten Verstöße umfasst. Das Antragsbegehren der BWB zu den von der Geldbuße nicht umfassten Verstößen wurde unter Verweis auf das Doppelbestrafungsverbot abgewiesen. Der Verhängung einer Geldbuße stünden die bereits durch die WKStA bzw das LG St. Pölten erledigten Strafverfahren durch Einstellung bzw Diversion entgegen. Darüber hinaus wies das KG das hilfsweise gestellte Feststellungsbegehren der BWB aus den genannten Gründen ebenfalls ab. Gegen diese Entscheidung des KG erhoben sowohl die BWB als auch der Bundeskartellanwalt ein Rechtsmittel beim KOG.

Das KOG gab den Rekursen in vollem Umfang statt und erklärte, dass im gegenständlichen Fall keine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots vorliege. Einerseits spreche der Umstand, dass der Staatsanwaltschaft keine allgemeine Sanktionsbefugnis zukomme, gegen die Annahme, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens könne eine Sperrwirkung im Sinne des Doppelbestrafungsverbots entfalten. Andererseits liege auch für den Fall, dass man der diversionellen Erledigung des Strafverfahrens die Wirkung einer rechtskräftigen Verurteilung oder eines Freispruchs zuerkennen wollte, kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, da die kartellrechtliche Geldbuße eine komplementäre Reaktion auf unterschiedle Aspekte desselben „sozialen Problems“ sei. Eine solche komplementäre Reaktion sei unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) dann möglich, wenn - unter anderem - „eine ausreichend enge Verbindung in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht“ zwischen den zwei Verfahren bestehe. Das KOG sah diese Voraussetzungen als gegeben an.

Für die konkrete Geldbußenbemessung entschied das KOG daher, dass nicht nur die vom KG bereits abgeurteilten 26 Verstöße, sondern alle 43 festgestellten kartellrechtswidrigen Handlungen im Rahmen der Gesamtzuwiderhandlung zu berücksichtigen seien. Für die Ermittlung des Geldbußenrahmens wurde durch das KOG nunmehr klargestellt, dass auf das dem Erlass der Entscheidung vorausgegangene Geschäftsjahr abzustellen ist.

Das KOG hob schlussendlich die Geldbuße auf insgesamt EUR 65.000 an. Dem Rekurs der Tischlerei Pirkl, welches auf die Herabsetzung der verhängten Geldbuße abzielte, wurde vom KOG nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung des KOG kann hier nachgelesen werden: 16 Ok 6/23b

Ermittlungen gegen das Tischlerei-Kartell beendet

Mit dieser Entscheidung wurde das letzte Verfahren des Kartellkomplexes im Bereich der Bau- und Möbeltischlerei abgeschlossen. Neben der Feststellung der Zuwiderhandlung gegen die Kronzeugin Fürst Möbel GmbH sowie die Muttergesellschaft (siehe Pressemeldung vom 17.06.2022) wurden Geldbußen in Höhe von insgesamt EUR 362.000 gegen vier weitere Unternehmen verhängt: