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BWB präsentiert die Ergebnisse der Branchenuntersuchung E-Ladeinfrastruktur: 10 Empfehlungen für fairen Wettbewerb

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat, unter Einbeziehung der Expertise der E-Control, eine Branchenuntersuchung im Bereich Elektromobiliät (E-Mobilität) durchgeführt.

Bei der aktuellen Branchenuntersuchung, welche im November 2021 gestartet wurde (Pressemeldung der BWB vom 16.11.2021), stand die öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Österreich im Fokus der wettbewerbsrechtlichen Analyse. Dabei handelt es sich um eine Lademöglichkeit, an der als alternativer Kraftstoff elektrischer Strom angeboten wird.

Ausgangslage
In der Klimaschutz- und Energiestrategie der Bundesregierung wird eine deutliche CO2-Reduktion vorgesehen. Diese geht auf Initiativen der Europäische Union zurück, welche bis zum Jahr 2030 bzw. 2050 umgesetzt werden sollen. Da der Straßenverkehr einen erheblichen Anteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen hat, ist ein solches Ziel nur zu erreichen, wenn es zu einer entsprechenden Reduktion von PKWs mit Verbrennungsmotoren kommt.

Derzeit erfolgt eine Transformation in Richtung E-Mobilität. Eine der größten Herausforderungen bei der Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor liegt im Aufbau einer leistungsfähigen, flächendeckenden und sicheren Ladeinfrastruktur sowie in der Aufrüstung der Stromnetze.

Fokus der Branchenuntersuchung

Die Branchenuntersuchung umfasst ausschließlich die Analyse der öffentlich zugänglichen Ladestationen. Private Ladestationen fallen nicht darunter und sind daher nicht Teil der Untersuchung.

Umfassende Marktanalyse mit 68% Rücklaufquote

Die Ergebnisse der Branchenuntersuchung stützen sich auf Befragungen von Marktteilnehmern, wissenschaftlicher Literatur, einschlägigen Publikationen sowie auf intensive Gespräche mit Stakeholdern wie Unternehmen, Interessenvertretungen, Institutionen und Behörden.

Im Zuge der umfassenden Marktanalyse, hat die BWB im Mai 2022 Auskunftsverlangen an 260 Marktteilnehmer im Bereich E-Mobilität versendet. Dabei konnte eine Rücklaufquote von 68% erreicht werden. Als Grundlage wurde das Ladestellenverzeichnis der E-Control herangezogen. Zum Zeitpunkt der Aussendung der Marktbefragung existierten in Österreich laut dem Ladestellenregister 13.441 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Die Antworten auf das Auskunftsverlangen decken 11.573 Ladepunkte ab. Das entspricht einem Anteil von rund 86% aller öffentlich zugänglichen Ladepunkte in Österreich.

Zudem hat der ÖAMTC unter Einbindung der BWB seine Mitglieder zum Thema E-Mobilität befragt und der BWB die Ergebnisse zur Verfügung gestellt. Eine der Kernaussagen war, dass die überwiegende Mehrheit der E-Autofahrer:innen, privat zugängliche Ladestationen nutzt. Etwa ein Drittel der Nutzer:innen von E-Autos in der Stadt sind von öffentlichen zugänglichen Ladepunkten abhängig. Durch den Anstieg von E-Fahrzeugen ist davon auszugehen, dass sich diese Abhängigkeit weiter erhöhen wird.

Ländervergleich: Österreich, Deutschland und Niederlande

Da die Entwicklungen der E-Mobilität alle Mitgliedstaaten der EU betreffen, wurde im Rahmen der Untersuchung auch ein ausgewählter Rechtsvergleich mit Deutschland und den Niederlanden vorgenommen. Ausschlaggebend für die Auswahl der Vergleichsländer war vor allem deren führende Rolle im Bereich der E-Ladeinfrastruktur innerhalb der EU. Um den Ladebedarf in Österreich zu decken, müssten bis 2030 etwa 30.000 Stationen mit Ladepunkten errichtet werden.

Hintergrund für die Untersuchung

Die BWB möchte bereits zu einem frühen Zeitpunkt der anstehenden Transformation einen Überblick über den derzeit vorherrschenden Markt und die sich darin befindlichen Player gewinnen, um potentiellen zukünftigen wettbewerblichen Fragestellungen begegnen zu können. Weiters sollen die Ergebnisse und Empfehlungen der BWB auch die Möglichkeit geben, den politisch-regulatorischen Diskurs über die weitere Entwicklung anhand entsprechender Erhebungen führen zu können.  Mit der Branchenuntersuchung möchte die BWB auf mögliche wettbewerbliche Herausforderungen im Bereich der E-Ladeinfrastruktur hinweisen, um einen Beitrag zu einem erfolgreichen weiteren Ausbau in Österreich zu leisten.

Wettbewerbliche Schlussfolgerungen

Marktstellung der Energieversorger - Risiko von Wettbewerbsverzerrungen

Hinsichtlich der aktuellen Entwicklung der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur zeigt sich, dass diese durch öffentliche Energieunternehmen, welche privatwirtschaftlich tätig sind, getragen ist. Da diese Energieunternehmen auch im direkten Eigentum von Gemeinden stehen, welche ebenfalls Stellplätze zum Aufstellen von Ladepunkten vergeben, ist ein diskriminierungsfreier Zugang zu Flächen für alle Ladestellenbetreiber entscheidend. Zur Sicherung eines langfristigen Wettbewerbs wird daher darauf zu achten sein, dass es auf lokaler Ebene zu einer Durchmischung unterschiedlicher Anbieter kommt.

Die Dominanz der Energieunternehmen bei öffentlich zugänglichen Ladepunkten, welche den liberalisierten Vertrieb von Haushaltsstrom und die Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Ladepunkten in einem Unternehmen bündeln, kann für ein wettbewerbsverzerrendes Verhalten Anreize setzen. Bei einer individuellen Abhängigkeit von E-Autofahrer:innen aufgrund von lokalen Monopolen kann eine Bündelung oder Koppelung von Ladekarten und Haushaltsstrom den Wettbewerb verzerren. Die BWB wird in diesem Zusammenhang den Markt genau beobachten und begründeten Verdachtsmomenten auf Kartellrechtsverstöße nachgehen.

Fehlende Transparenz bei Ladetarifen

Aus der Auswertung der Marktbefragung ergeben sich Hindernisse für einen funktionierenden Wettbewerb im Markt für E-Ladepunkte: Demnach fehlt weitgehend Transparenz bei den Ladetarifen, womit eine Übersicht und Vergleichbarkeit erschwert wird.

Zahlungsmodalitäten

Durch die im Vorschlag der EU-Verordnung (COM/2021/559 final) angedachten Zahlungsmodalitäten soll die Vielfalt sichergestellt werden. Damit soll ein entsprechend lebendiger Wettbewerb gewährleistet und Marktzutrittsschranken hintangehalten werden.

Damit in Verbindung sind auch Ad-hoc-Zahlungsmöglichkeiten zu sehen, wobei diese zwingend vorgesehen sein sollten. Diese Aspekte erscheinen wesentlich, damit die Vergleichbarkeit und Auswahlmöglichkeit für Verbraucher:innen gegeben ist. Gleichzeitig sollte dadurch auch eine Wettbewerbsintensivierung um die Verbraucher:innen einsetzen.

Wettbewerbliche Empfehlungen der BWB

Im Folgenden gibt die BWB wettbewerbliche Empfehlungen ab, die dazu beitragen sollen, den Wettbewerb in Österreich in diesem wichtigen Bereich fairer zu gestalten und dem Zweck der Diskriminierungsfreiheit zu entsprechen:

  • Transparenz betreffend Preis, bezogene Energie und Ladedauer.

Transparenz für Verbraucher:innen ist essentiell. Es muss verstärkt sichergestellt werden, dass Verbraucher in transparenter Art und Weise die über die Ladeinfrastruktur bezogene Energie und deren Abrechnung nachvollziehen können. Zudem sollten Verbraucher:innen nach ihren individuellen Bedürfnissen Ladeoptionen haben. Das betrifft zB Ad-hoc-Lademöglichkeiten oder Abrechnungsmodalitäten wie in kWh (beispielsweise durch Anzeige am Display). Um dieses Ziel zu erreichen, muss auf Anbieterseite fairer Wettbewerb vorherrschen. Das gilt auch für den Roaming-Bereich. Die entsprechende Transparenz kann beim Roaming dadurch sichergestellt werden, dass Vebraucher:innen vor der jeweiligen Ladung, ähnlich wie im Mobilfunkbereich, vor Ort über die Kosten informiert werden.

  • Förderungen auf Bundesebene und Nichtdiskriminierung.

Die Förderpolitik erscheint zum jetzigen Zeitpunkt ein durchaus geeignetes Mittel zur gesetzten Zielerreichung zu sein. Vor dem Hintergrund von Konzentrationstendenzen sollte bei der Fördervergabe berücksichtigt werden, dass ausreichend Wettbewerb für aktuelle und potentielle Marktteilnehmer vorhanden ist. Im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung erscheint es geboten, Wettbewerbsverzerrungen auf Anbieterseite entgegenzutreten.

  • Förderung und lokaler Wettbewerb.

Die BWB empfiehlt dem Gesetzgeber die Erarbeitung einer Strategie zur Förderung von kleinen und Kleinstladepunktbetreibern als lokale Wettbewerber. Wesentliche Punkte sind, die Wettbewerbsparameter selbst zu gestalten, ein diskriminierungsfreier Zugang zu Navigationsdiensten bzw Vergleichsplattformen und die Förderung von innovativen Projekten sowie Geschäftsmodellen auf lokaler Ebene.

  • Sicherstellung der Anbietervielfalt auf kommunaler Ebene.

Kommunen wird empfohlen, strategisch auf eine lokale Durchmischung von Anbietern von öffentlich zugänglichen Ladepunkten zu achten, insbesondere bei der Zurverfügungstellung von kommunalen Flächen zur Errichtung von Ladepunkten. Eine lokale Durchmischung sichert einen Preis- und Qualitätswettbewerb zum Vorteil der Verbraucher:innen.

  • Vermeidung regionaler Konzentrationen.

Aus wettbewerblicher Sicht wird den (Landes-)Energieversorgern empfohlen, verstärkt auch über die jeweiligen Landesgrenzen hinweg als aktive und relevante Wettbewerber von öffentlich zugänglichen Ladepunkten aufzutreten.

  • Verstärkte kartellrechtliche Compliance.

Bei Marktmacht können Bündelung oder Koppelung von Ladekarten und etwa Haushaltsstrom den Wettbewerb verzerren. Bei Konzeptionierung solcher Produkte wird den Energieversorgern empfohlen, durch vorsorgliche Compliance-Maßnahmen strenge Maßstäbe anzusetzen, um bereits den Anschein eines möglichen Verdachts auf Kartellrechtsverstöße zu vermeiden.

  • Ausbau der Schnellademöglichkeiten.

Um das Ziel einer höheren Reichweite und Angebotsvielfalt sicherzustellen, ist der Ausbau von Schnelladepunkten entlang von Hauptverkehrsrouten wie Autobahnen und Schnellstraßen zu forcieren. Den mit Ladepunkten ausgestatteten Raststationen entlang dieser Routen kommt hinsichtlich fairer Preise für von Schnelladepunkten abhängigen E-Autofahrer:innen eine besondere Bedeutung zu.

  • Standardisierung der Abrechnung.

Eine Verordnung des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen über Eichvorschriften für elektrische Tarifgeräte zur Messung von elektrischer Energie an Ladepunkten sollte rasch erlassen werden, um sicherzustellen, dass an allen öffentlich zugänglichen Ladepunkten zeitnah eine Wahlmöglichkeit zur leistungsgerechten Abrechnung der geladenen Strommenge geschaffen wird.

  • Tarif- und Preismonitoring.

Die BWB begrüßt die Überlegungen der E-Control und des BMK zur verpflichtenden Darstellung der Ad-hoc Ladetarife des Ladestellenverzeichnisses. In diesem Zusammenhang sollte in Zukunft evaluiert werden, ob für die Verbraucherinnen und Verbraucher eine Gefahr von dynamischer Preisbildung und Preisdiskriminierung ausgeht. Bei derzeit üblichen Ladekarten mit Fixpreisen sieht die BWB unmittelbar noch keine Anzeichen.

  • Wettbewerb der regulatorischen Ansätze.

Sollten wettbewerbsfördernde Maßnahmen nicht greifen und sich ein im Übermaß konzentrierter Markt verfestigen, könnte vergleichbar zum Vorschlag der deutschen Monopolkommission (7. Sektorgutachten Energie) als ultima ratio in Erwägung gezogen werden, den konzeptionellen Ansatz im Ladestromgeschäft ganz grundsätzlich zu ändern, wonach der freie Wettbewerb um öffentlich zugänglichen Ladestrom auf Basis eines konkurrierenden Angebots der Betreiber von Ladepunkten erfolgt. Als Alternative käme in Betracht, die Ladeinfrastruktur für die Durchleitung von Strom für verschiedene Stromanbieter zu öffnen. Das Marktdesign wäre damit vergleichbar jenem von Haushaltsstrom und es wäre zu erwarten, dass ein Durchleitungswettbewerb eine ähnliche individuelle Wechselmöglichkeit wie bei Haushaltsstrom etabliert.

 „Ein fairer und vielfältiger Wettbewerb erhöht die Attraktivität der E-Mobilität für Konsument:innen. Dies erfolgt vor allem durch Transparenz, niederschwelligen und raschen Zugang, Wahlmöglichkeiten sowie angemessene Preise.“, so die interimistische Generaldirektorin der BWB, Natalie Harsdorf-Borsch.

Roaming und Tarif-Rechner

Der ebenfalls vom VO-Vorschlag thematisierte Bereich des Roamings erscheint aus wettbewerblicher Sicht besonders relevant. Roaming kann zwar grundsätzlich grenzüberschreitende E-Mobilität, ähnlich wie im Mobilfunkbereich iSd Verbraucherinnen und Verbraucher überhaupt erst ermöglichen. Zum anderen ist allerdings zu befürchten, dass die Vergleichbarkeit mangels Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht in ausreichendem Maße besteht. Im Hinblick darauf erscheint es zielführend, wenn zukünftig ein entsprechender Rechner auch Roamingkosten vollumfänglich abbildet.

Preistransparenz und Vergleichbarkeit sind für die E-Control seit jeher zentrale Bestandteile eines funktionierenden Marktes. Nur damit können Kund:innen fundierte Entscheidungen treffen. Zusätzlich zum bewährten „Tarifkalkulator“ für Haushaltstrom erweitert daher die E-Control ihr Angebot. Neben dem „Ladestellenverzeichnis“ wird es mit einem „Lade-Tarifkalkulator“ schon bald möglich sein, sich dem eigenen Fahr- und Ladeverhalten entsprechend über die jeweiligen Preis- und Vertragsdetails der Ladeangebote zu informieren.“, so der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch.

Der Bericht zur Branchenuntersuchung E-Ladeinfrastruktur kann unter folgendem Link heruntergeladen werden: