Home » News » News 2006 » Detail

Fusionskontrollverfahren und Wettbewerbspolitik in der Praxis

Nach vielen Jahren gegenteiliger Praxis hat das Kartellgericht mit seiner Entscheidung vom 5.12. 2006, 26 Kt 85/06-7, entschieden, daß die im KartG den Amtsparteien gewährte Frist von vier Wochen (obligatorische Prüfungsphase I) für das Begehren nach einem auch (bloß fakultative Prüfungsphase II) gerichtlichen Prüfungsverfahren von Fusionsanmeldungen nur dann gewahrt sei, wenn der betreffende Antrag noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist bei Gericht eingelangt sei; die fristgerechte Übergabe an die Post genüge jetzt nicht (mehr).

Die „rein“ juristischen Feinheiten der neuen Argumentation des Kartellgerichts sind nicht von allgemeinem Interesse; das Kartellobergericht wird über die Rekurse der Amtsparteien (BWB und Bundeskartellanwalt) befinden müssen: Muß der Prüfungsantrag am letzten Tag der Frist von vier Wochen am Tisch des Gerichtes oder am Tisch der Post liegen, damit die den Amtsparteien eingeräumte Prüfungsfrist von vier Wochen gewahrt ist und das Kartellgericht dann sein Verfahren (binnen weiterer fünf Monate) zu Ende zu führen hat?

Von allgemeinem Interesse sind nicht die „rein“ juristischen Feinheiten dieses nunmehr vom Kartellgericht aufgegriffenen Themas als vielmehr folgendes: 

1.   94% (Stand 18.12.2006) der angemeldeten Zusammenschlüsse werden von den Amtsparteien binnen vier Wochen geprüft (obligatorische Prüfungsphase I), und es kommt (mangels Prüfungsantrags der Amtsparteien) nicht auch noch zu einem Prüfungsverfahren vor dem Kartellgericht (bloß fakultative Prüfungsphase II). 

2.   Das Verhältnis „vier Wochen gegen fünf Monate“ (obligatorische Prüfungsphase I gegen bloß fakultative Prüfungsphase II) erscheint schon an sich nicht ausgewogen. Das ist eine Sache des Bundesgesetzgebers. Jetzt soll dieses Zeit“miß“verhältnis nach Ansicht des Kartellgerichtes aber nochmals zum Nachteil der Amtsparteien verändert werden (praktisch: Verkürzung um mindestens einen Tag und bürokratisch-administrative Erschwernisse).

3.   Eigentliche Ursache der – wettbewerbspolitisch in keiner Weise weiterführenden – zu einem neuen Thema gemachten „rein“ juristischen Feinheit ist (ua) das bestehende, komplizierte verwaltungsbehördlich-zivilgerichtliche Mischsystem der österreichischen Kartellbehördenorganisation mit seinen mannigfachen (ua) verfahrensrechtlichen Überlappungen und Ungereimtheiten. (Ein Tummelplatz für „rein“ juristische Argumentationen.) 

4.   Sollte die eingangs erwähnte neue Sicht des Kartellgerichts beim Kartellobergericht „halten“, dann liegen die – wettbewerbspolitisch sicherlich nicht ganz unerheblichen – Konsequenzen auf der Hand: Entweder der Bundesgesetzgeber greift ein. Oder es wird in Zukunft inhaltlich „dünnere“ – und vielleicht mehr, vielleicht auch weniger – Prüfungsanträge der Amtsparteien geben. Mit der Alternative zum Eingreifen des Bundesgesetzgebers würde der österreichischen Fusionskontrolle aus wettbewerbspolitischer Sicht allerdings ebenso kein guter Dienst erwiesen wie der betroffenen Wirtschaft selbst (im Hinblick auf den Zeitfaktor und auf die nicht geringen Sachverständigenkosten im kartellgerichtlichen Prüfungsverfahren).