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Keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegen den Zusammenschluss von Tele2 und UTA

22. 11. 2004

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ist bezüglich des Zusammenschlusses „Tele2/UTA" (Tele2 Tele­communications Services GmbH [Tele2] erwirbt alle Anteile an der Vereinigten Tele­kom Österreich Beteiligungs GmbH [UTA]) nach gründlicher Prüfung des Sachverhaltes zu dem Ergebnis gekommen, keine kartellgerichtliche Prüfung (Phase II - Prüfung) zu beantragen. Die Prüfung erfolgte in enger Zusammen­arbeit mit der RTR-GmbH (Telekom­regulator), der Wettbewerbs­kommission und dem Bundeskartellanwalt.

 

Es hat kein Unternehmer, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluss berührt werden, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine schriftliche Äußerung gegenüber dem Kartellgericht abzugeben, obwohl die BWB die wichtigsten Wettbewerber von Tele2 und UTA auf diese Möglichkeit sogar schriftlich aufmerksam gemacht hat.

Im Einzelnen hat die BWB folgende Gesichtspunkte erwogen:

Die Recherchen in Bezug auf die Umsätze der beiden Unternehmen haben ergeben, dass die Umsatzschwellen der Fusionskontrollverordnung (FKVO) der EU nicht erreicht werden und daher österreichisches Wettbewerbsrecht anzuwenden ist.

Die BWB ist in ihrer ökonomischen Analyse insbesondere vier, für den Fall potentiell relevanten, Fragestellungen nachgegangen:

1. Einzelmarktbeherrschung:

Ausgehend von den 16 Märkten, wie sie in die Telekommunikations­märkte­verordnung 2003 (TKMVO 2003) der RTR-GmbH abgegrenzt werden, konnte die BWB feststellen, dass es nur in einem Markt, nämlich am Fest­netztelefonmarkt für inländische Privatkunden, durch die Addition der Marktanteile der beiden Unternehmen zu einer Über­schreitung der Vermutungs­schwelle des Kartellgesetzes für Marktbeherrschung (30% Marktanteil) kommt; allerdings nur in einer marginalen Größenordnung. Die BWB ist zu der Auffassung gelangt, dass auch auf diesem Markt durch die Fusion keine marktbeherrschende Stellung geschaffen wird, da

- die Telekom Austria (TA) auch nach dem Zusammenschluss die bei weitem stärkste Stellung auf diesem Markt einnehmen wird und

- der Festnetzmarkt starkem Wettbewerbsdruck vom Handymarkt ausgesetzt ist, welcher sich in Zukunft noch verstärken wird.

2. Nicht koordinierte Wirkungen eines Zusammenschlusses:

Damit ist folgendes wirtschaftliches Phänomen gemeint:

Bei bloßer Berücksichtigung der Marktanteile könnte der Wettbewerbsdruck, der durch einen Zusammenschluss eventuell aus dem Markt genommen wird, unterschätzt werden, da die Produkte der beiden Unternehmen von den Konsumenten als sehr enge Substitute betrachtet werden.

Nach Auffassung der BWB sprechen folgende Fakten dagegen, dass nicht koordinierte Wirkungen relevant sind:

UTA und Tele2 haben eine in hohem Maße komplementäre (und nicht so sehr eine sich überschneidende) Angebotstruktur:

- Tele2 ist bislang ein reiner Dienstleistungsanbieter, wohingegen die UTA auch im Infrastrukturbereich engagiert ist.

- Während die UTA relativ stärker im Segment komplexer Lösungen (insbes. für den "Business"-Bereich) vertreten ist, hat sich Tele2 demgegenüber stärker auf einfache Lösungen für den Privatkundenmarkt konzentriert.

- Daraus resultierten auch unterschiedliche Werbe- und Vermarktungs­strategien, die unterschiedliche Anmutungen der Konsumenten verstärken.

3. Koordinierte Wirkungen:

Unter koordinierten Wirkungen fasst man die Möglichkeit, dass durch einen Unter­nehmenszusammenschluss eine Marktstruktur hergestellt wird, die zur Begründung einer gemeinsamen marktbeherrschenden Stellung führt.

Unter Analyse der Marktsituation ist die BWB zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen für eine kollektive Markt­beherrschung nicht gegeben sind:

- Die Ausgangsvoraussetzungen, mit denen das fusionierte Unternehmen in den Wettbewerb mit der TA eintritt, unterscheiden sich weiterhin deutlich von jenen, die für die TA gelten. Auch das fusionierte Unternehmen ist in seiner Struktur den alternativen Anbietern näher als der TA.

- Als Vorraussetzung für koordinierte Wirkungen gilt gemeinhin eine symmetrische Marktstruktur. Aber auch nach dem Zusammenschluss ist der Größenunterschied zwischen der TA und dem fusionierten Unternehmen weiterhin beachtlich, wobei auch die Wirkung der Stellung der TA auf vorgelagerten Märkten (Infrastruktur) zu berücksichtigen ist.

- Es muss vielmehr als wahrscheinlich gelten, dass durch den Zusammen­schluss der Wettbewerbsdruck auf die TA erhöht wird:

Die Verbindung des hohen Kundenstocks des Dienstleistungsanbieters Tele2 mit der Infrastruktur der UTA, der wiederum die Stärke am Endkundenmarkt fehlte, kann bewirken, dass für die TA eine echte neue Herausforderung, die durch die derzeit vorhandenen Konkurrenten in diesem Ausmaß nicht gegeben ist, entsteht. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass das fusionierte Unternehmen im Stande ist, die Möglichkeiten der Entbündelung zu nutzen und damit seine Wertschaffungskette bis zur "last mile" zu erweitern.

 

4. Position auf dem Vorleistungsmarkt

 

Auf einem der Vorleistungsmärkte der TKMVO 2003, jenem für Trunk-Segmente für Mietleitungen, verfügt die UTA über einen Marktanteil, der deutlich über der Vermutungsschwelle von 30 % liegt. Allerdings kommt es auf diesem Markt durch den Zusammenschluss zu keiner Marktanteilsaddition, da Tele2 in diesem Bereich nicht vertreten ist. Es ist davon auszugehen, dass das fusionierte Unter­nehmen aus eigenem betriebs­wirtschaftlichem Interesse das Angebot nicht einschränken wird.

 

 

Auf Basis der oben dargestellten Analysen ist die BWB zu der Auffassung gelangt, dass die kartellgesetzlichen Untersagungsgründe (Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung) nicht vorliegen. Für eine weitere Prüfung vor dem Kartellgericht war daher kein Anlass.

Die Wettbewerbskommission kam nach Erörterung der wettbewerbsökonomischen Gesichts­punkte des Zusammenschlusses zu dem gleichen Ergebnis und hat keinen Prüfungsantrag empfohlen.

Auch die RTR-GmbH sowie die Telekom-Control-Kommission und der Bundeskartellanwalt kamen zu dem Ergebnis, dass der angemeldete Zusammenschluss zu keiner Beeinträchtigung des Wett­bewerbs führen wird.