Zum Verfahren:
Im Jahr 2021 beantragte die BWB beim Kartellgericht die Abstellung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot von Fusionen ohne Anmeldung, sowie die Verhängung einer angemessenen Geldbuße gegen die REWE International AG (REWE). Die BWB erachtete die Übernahme von Verkaufsflächen des Lebensmitteleinzelhandels im Einkaufszentrum WELAS Park mittels Bestandvertrages durch ein Tochterunternehmen der REWE als anmeldepflichtig. Konfrontiert mit dieser Rechtsauffassung der BWB, vertrat REWE jedoch weiterhin die Ansicht, dass kein anmeldepflichtiger Zusammenschluss vorlag und holte die Anmeldung erst nachträglich mit 23.08.2022 während des Verfahrens nach. Mit Beschluss vom 15.05.2023 bestätigte das Kartellgericht zwar das Vorliegen eines anmeldebedürftigen Zusammenschlusses, wies jedoch das Geldbußen- und Feststellungsbegehren der BWB wegen mangelnder Strafwürdigkeit ab. Die BWB und der Bundeskartellanwalt erhoben dagegen Rekurs.
Das Kartellobergericht (OGH) gab den Rekursen im November 2023 (Pressemitteilung vom 29.12.2023) statt und trug dem Erstgericht die Festsetzung einer Geldbuße in „spürbarer“ Höhe auf. Im zweiten Rechtsgang verhängte das Kartellgericht eine Geldbuße von EUR 1,5 Mio gegen REWE. Dagegen erhoben die BWB und der Bundeskartellanwalt erneut einen Rekurs.
Diesen Rekursen gab das Kartellobergericht nun Folge und erhöhte die Geldbuße auf EUR 70 Mio. Das Höchstgericht setzte sich dabei sowohl mit der Frage des Bußgeldrahmens als auch den gesetzlichen Bemessungsfaktoren auseinander, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind.
Gemäß § 30 Abs 1 KartG ist bei deren Bemessung insbesondere auf die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, auf den Grad des Verschuldens und auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen. § 30 Abs 2 KartG nennt verschiedene Erschwerungsgründe, § 30 Abs 3 KartG Milderungsgründe. Geldbußen nach dem KartG verfolgen präventive und repressive Zwecke, was eine angemessene Höhe erfordert, weil sonst keine abschreckende Wirkung erzielt wird.
Zur Geldbußenbemessung:
In dieser Entscheidung ging das Kartellobergericht (OGH) erneut auf die Bemessung von Geldbußen ein und hielt unter anderem fest:
- Für die Berechnung ist unter dem „vorausgegangenem Geschäftsjahr“ jenes dem Erlass der Entscheidung vorangegangene Geschäftsjahr zu verstehen. Dies hat das Kartellobergericht auch in einer anderen jüngst ergangenen Entscheidung dargelegt (16 Ok 6/23b).
- Daher wurde für die Geldbußenbemessung der REWE Konzernumsatz iHv EUR 92,3 Mrd herangezogen.
- Der Argumentation von REWE, wonach die Umsätze der Muttergesellschaft sowie die Umsätze aus getrennt geführten Geschäftsfeldern nicht einzubeziehen seien, folgte der OGH nicht.
- Bei der Bemessung der Geldbuße ist vom erzielten Gesamtumsatz des Konzerns auszugehen, wobei die Zusammenrechnungsregel des § 22 KartG anzuwenden sind.
- Daher war es sachgemäß die Geldbuße aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung anhand der gesamten Unternehmensgruppe zu bemessen.
- Als Folge zog der OGH für die Bemessung den Jahresumsatz des REWE Konzerns 2023 heran und bemaß die Geldbuße im Hinblick auf eine Strafrahmenobergrenze von EUR 9,23 Mrd.
- Im in einem anderen Verfahren des Kartellgerichts wurde über das Unternehmen bereits 2018 wegen unrichtiger bzw. irreführenden Angaben (ua durch einen nicht offen gelegten Betrieb einer Filiale ) eine Geldbuße verhängt (24 Kt 8/18h).
Zu den im Verfahren vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken
- Im Rahmen der Auseinandersetzung mit beanstandeten Bemessungsfaktoren bzw deren Gewichtung teilte das Kartellobergericht nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Sanktionsregeln des KartG und geht weiter von einer ausreichenden Bestimmtheit aus.
- In einer schlagwortartigen Aufzählung gibt das Kartellobergericht die beachteten Faktoren komprimiert wieder, wie bspw die lange Dauer der Zuwiderhandlung.
Geldbußen müssen spürbar sein
Abschließend verweist das Kartellobergericht erneut auf seinen Standpunkt zur Spürbarkeit von Geldbußen. Auch in Österreich seien zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen, wie sie auf Unionsebene in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich sind.
Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen - Hinweis auf beratende Serviceleistung der BWB- rasch und unbürokratisch
„Die Bundeswettbewerbsbehörde hat eine eigene Servicestelle in der Rechtsabteilung, wenn es Unsicherheiten wegen der Anmeldepflicht gibt. Im Jahr 2024 wurde diese 36 mal von Unternehmen genutzt. Wir sind hier immer sehr zügig mit einer Rückmeldung, sodass rasch Klarheit besteht, ob eine Fusion anzumelden ist oder nicht. Ich empfehle Unternehmen diesen Service vorab zu nutzen!“ so die Generaldirektorin, Natalie Harsdorf.
Verletzungen der Anmeldepflicht verhindern eine rechtzeitige und effiziente Fusionskontrolle, was letztlich zu Konzentration auf den Märkten mit allen bekannten negativen Auswirkungen (zB höhere Preise, weniger Angebot, keine Ausweichmöglichkeiten) führen kann. Die BWB informiert Unternehmen auf ihrer Homepage auch zu Fragen der Anmeldepflicht.
Besteht weiter Unklarheit darüber, ob ein Zusammenschluss anmeldepflichtig ist, besteht die Möglichkeit, sich mittels E-Mail im Vorhinein an folgende Postfach-Adresse zu wenden: POST-Anmeldepflicht[at]bwb.gv.at. Diese unterschwellig zugängliche Serviceleistung erfolgt rasch und unbürokratisch.
Bedeutung der Fusionskontrolle für Wirtschaftsstandort Österreich
Eine effektive Verfolgung von verbotenen Durchführungen ist positiv für den Wirtschaftsstandort, weil dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gestärkt wird. Eine Konzentration und letztlich Monopolisierung auf einzelnen Märkten kann sich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen negativ auswirken. Daher sieht das KartG ab einer bestimmten Größe (Umsatz oder Transaktionswert) einer Fusion eine fusionskontrollrechtliche Prüfung vor.
Zur Entscheidung: 16Ok5/24g