Vor dem Hintergrund der gestiegenen Strom- und Gaspreise im Vorfeld und nach Beginn des Krieges in der Ukraine im Februar 2022, führten die Bundeswettbewerbsbehörde und die E-Control mit Beginn Jänner 2023 eine gemeinsame Untersuchung des Energiesektors (Strom und Gas) in Österreich durch. Die Ergebnisse dieser Untersuchung liegen jetzt in einem Abschlussbericht vor.
Energie Taskforce Abschlussbericht 2025
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Ergebnisse des Abschlussberichts
Nach 24 Jahren der Liberalisierung ist noch kein funktionierender bundesweiter Wettbewerb gegeben. Die Marktsituation zeigt sich wie folgt:
Marktabgrenzung: Die beiden Behörden kommen zum Ergebnis, dass der Wettbewerb geographisch lokal dh nicht bundesweit stattfindet und sachlich zwischen den Kundengruppen (Groß- und Kleinkunden) unterschieden werden muss. Die Marktabgrenzung spielt für die Analyse und allfällige Einzelverfahren eine wesentliche Rolle. Damit wird die Frage geklärt, wo der Wettbewerb stattfindet.
Marktanteile der Anbieter: Die Anbieter dominieren ihre Netzgebiete mit Marktanteilen von 68 % bis 98 %.
Abschottung der Netzgebiete: Eine erhebliche Anzahl der Anbieter, speziell jene mit extrem hohen Marktanteilen, bieten Strom und Gas nur im eigenen Netzgebiet an.
Preise:
Die Strompreise variieren erheblich zwischen den Regionen, was gegen einen homogenen nationalen Markt spricht.
Die verbrauchsabhängigen Preise (reiner Arbeitspreis, ohne Grundpreis) für Strom und Gas haben sich im Laufe der Untersuchung der Behörden seit Anfang 2023 wieder etwas reduziert. Trotzdem erreichen die Endpreise noch nicht das Vorkriegsniveau.
Konsumentenverhalten: Die Wechselraten in Österreich sind im europäischen Vergleich besonders niedrig (50 % der Kunden haben noch nie gewechselt). Das erhöht die Marktmacht der Anbieter. Die Wechselrate liegt für Strom bei 4,5 % (vgl. Italien 18%) und für Gas bei 6 % (vgl. Italien 13%).
Kreuzbeteiligungen: Der Markt ist von einem dichten Netz an direkten und indirekten Beteiligungen zwischen Energielieferanten geprägt. Diese Kreuzbeteiligungen wirken sich wettbewerbshemmend und damit nachteilig auf den Wirtschaftsstandort aus.
„Die Marktkonzentration ist weiterhin sehr hoch. Lokale Fragmentierung, unzählige Kreuzbeteiligungen zwischen den Unternehmen und im EU-Vergleich niedrige Wechselraten prägen eine eingeschränkte Wettbewerbssituation. Der Fokus der BWB liegt jetzt auf einzelne Ermittlungen,“ erklärt Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der BWB.
„Die Wechselraten in Österreich sind im europäischen Vergleich weiterhin niedrig. So lagen beispielsweise im Jahr 2023 die Wechselraten in Italien oder Belgien bei rund 18% bzw. 17%. Wir sehen hier in Österreich noch sehr viel Luft nach oben.“, betont Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control.
Empfohlene Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs
Ein Best-Practice-Modell der Produktgestaltung für Energielieferung soll es Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, die Preisgestaltung einfacher nachzuvollziehen und Produkte transparent nach ihren Bedürfnissen auszuwählen. Vorteile daraus sind, die Produkte sind einfacher vergleichbar und die Kostenentwicklung besser abschätzbar.
Eine monatliche Abrechnung als Standard bei Strom bietet für Endkundinnen und Endkunden regelmäßige Information über ihre tatsächlichen Kosten. Der Smart Meter-Rollout in Österreich ist abgeschlossen, daher sollten die verfügbaren Daten auch kunden- und wettbewerbsfreundlich genutzt werden. Eine monatliche Abrechnung und damit eine höhere Sichtbarkeit der Strom- und Gaspreise kann, ähnlich wie eine einheitliche Produktgestaltung, Triebfeder für höhere Wechselzahlen und eine Stärkung des Wettbewerbs sein.
Spotmarktprodukte sollen vermehrt angeboten werden, da sie einen Beitrag zur Flexibilisierung der Nachfrage und zur aktiven Beteiligung der Endverbraucherinnen und Endverbraucher am Energiesystem leisten können. Dies kann insbesondere langfristig sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für das Gesamtsystem zu Kosteneinsparungen führen.
Mit der Einführung staatlicher Fördermaßnahmen wie des Stromkostenzuschusses können auch neue Möglichkeiten der Preismanipulation und des Missbrauchs entstehen. Damit solche Verhaltensweisen in Zukunft schneller und konsequenter verfolgt werden können, regen die Behörden an, klare Sanktionskompetenzen zu definieren.
Eine Datenbasis für Unterstützungen muss geschaffen werden. Damit können die monetären Unterstützungsmaßnahmen für Endkundinnen und Endkunden zielsicher erfolgen. Eingriffe in den Wettbewerb lassen sich dadurch künftig auf das Notwendige beschränken. Dabei gilt es auch zu klären, welche gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen den Unternehmen der Energiewirtschaft übertragen werden.
Österreichs Energiegesetze krisenfit machen: Die Krise hat gezeigt, dass für besonders schwierige Zeiten auch im Energiesektor gesetzliche Vorkehrungen nötig sind. Im Sinne der Transparenz sollte in der – nach objektiven Kriterien ausgerufenen – Krise Margen offengelegt bzw. Reaktionsmöglichkeiten bei gravierenden Störungen des Wettbewerbs geschaffen werden. Damit können starke Preissteigerungen innerhalb kurzer Zeit verhindert und das Vertrauen in die Energiewirtschaft gestärkt werden.
Auflösung der Kreuzbeteiligungen im Energiesektor: Denkbar wäre eine Obergrenze für Minderheitsbeteiligungen zwischen Energieversorgern in Österreich (z.B. maximal 5 %, sofern keine vollständige Entflechtung erfolgt). Zusätzlich wäre ein Verbot von Kreuzbeteiligungen, gewisse Transparenzpflichten oder eine wettbewerbsrechtliche Sonderprüfungspflicht für sämtliche Neu- oder Umstrukturierungen von Beteiligungen im Energiesektor denkbar. Durch diese Maßnahmen soll die Marktmacht einzelner Unternehmen eingeschränkt und der Wettbewerb stimuliert werden.
Für Unternehmen mit Marktmacht soll eine Blacklist verpönter Verhaltensweisen klare Spielregeln definieren und eine Orientierung bieten.
Rascher Beschluss des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) als wichtigstes Reformprojekt für den Stromsektor. Es ist auch im Sinne der ökonomischen Effizienz darauf zu achten, dass sich im Gesetz eine faire Balance zwischen den Rechten der Kundinnen und Kunden auf der einen und den Energieunternehmen auf der anderen Seite wiederfinden.
Das Gesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden EVUs wurde auf der Grundlage der Untersuchung der Taskforce beschlossen.
„An den Ergebnissen kann man eindeutig erkennen, welche Konsequenzen es hat, wenn der Wettbewerb in einem Markt nicht richtig funktioniert. Es schwächt die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die negativen Folgen treffen aber auch die energieintensive Industrie. Nur die Energieunternehmen selbst können dafür sorgen, dass die Verträge und Abrechnungen transparenter und verständlicher aufbereitet werden.“, erklärt Generaldirektorin der BWB, Natalie Harsdorf.
„Der Wettbewerb am Markt erholt sich langsam. Wir beobachten, dass neue Anbieter eintreten und unterschiedliche Produkte verfügbar sind. Zentral ist hierbei, dass Konsumentinnen und Konsumenten die Möglichkeit bekommen, diese Angebote auch transparent vergleichen zu können. Die Marktkonzentration ist weiterhin sehr hoch. Lokale Fragmentierung, unzählige Kreuzbeteiligungen zwischen den Unternehmen und im EU-Vergleich niedrige Wechselraten führen zu einer eingeschränkten Wettbewerbssituation. Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Taskforce werden dazu beitragen, diese Situation im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern.“, betont der Vorstand der E-Control, Wolfgang Urbantschitsch.
Preisentwicklungen seit dem letzten Zwischenbericht bei Strom und Gas (Stand Jänner 2025)
Die Preise am Markt wurden während des gesamten Untersuchungszeitraums kontinuierlich abgefragt. Generell sind die Preise für Hauptprodukte und billige Alternativprodukte weiterhin auf einem höheren Stand als vor der Energiekrise:
Strom
Haushalte zahlten seit Ende 2021 einerseits bis zu 61 Cent pro kWh., andererseits gab es auch Haushalte, die bis zu sechs Cent pro kWh bezahlten. Im Jänner 2025 lag der Preis zwischen 11 und 21 Cent pro kWh und damit über dem Vorkrisenniveau.
Sowohl der durchschnittliche Arbeitspreis wie auch die Streuung der Tarife ist im Vergleich zu den Krisenjahren 2022 und 2023 deutlich zurückgegangen. Dennoch ist man weiterhin etwas vom Vorkrisenniveau entfernt. Bei Strom zahlen die meisten Kundinnen und Kunden mit Stand Jänner 2025 zwischen 6 und 21 Cent pro kWh.
Gas
Der durchschnittliche Gaspreis für Haushalte stieg im Jahr 2022 innerhalb weniger Monate von der niedrigsten Kategorie (0-6 Cent pro kWh) auf eine Preisspanne von 11-16 Cent pro kWh an. Ab 2023 bliebt das durchschnittliche Preisniveau konstant und sank kontinuierlich ab.
Privatkundinnen und -kunden zahlen zwar immer noch mehr als vor der Krise, aber nur halb so viel wie zu den Spitzenzeiten im Jahr 2022.
Haushalte zahlten im Februar 2025 knapp 5 bis 10 Cent pro kWh.
Entwicklungen bei Lieferanten von Strom und Gas
Die Nachwirkungen der Krise machen sich nach wie vor für Strom- und Gaskundinnen bzw. -kunden bemerkbar. Weder die Anzahl österreichischer Strom- und Gaslieferanten noch die Produktauswahl für Haushalte sind wieder auf Vorkrisenniveau.
Die Anzahl der österreichweiten Lieferanten für Strom betrug mit Letztstand Februar 2025 nur 37. Das ist mehr als ein Drittel weniger Anbieter als vor der Krise. Berücksichtigt man die endgültigen Austritte, bieten aktuell 17 potenzielle Lieferanten, die bereits österreichweit aktiv waren, keine landesweiten Produkte mehr an.
Mit Februar 2025 existieren 14 aktive österreichweite Anbieter und weitere sieben potenzielle österreichweite Anbieter für Gas, also Lieferanten, die in der Vergangenheit bereits österreichweit Gas-Neukundenprodukte vertrieben haben.
Die beiden Behörden veröffentlichten bereits zwei Zwischenberichte im Juni 2023 und August 2024 unter anderem mit folgenden Ergebnissen:
Die Anzahl der Strom- und Gasanbieter sank, die Marktkonzentration in den Netzgebieten für Erdgas und Strom war im Beobachtungszeitraum auf einem sehr hohen Niveau und stieg seit 2022 an.
Eine Vielzahl an Stromanbietern ist vorwiegend nur im eigenen Netzgebiet vertreten.
Die Beschaffungsstrategien im Markt für Strom sind österreichweit relativ einheitlich.
Punktuell wurden extreme Entwicklungen bei indizierten Endpreisen für Strom und Gas identifiziert.
Bestimmte Kundengruppen wechseln den Tarif nicht – trotz starker ökonomischer Anreize.
Es existieren extreme Unterschiede zwischen Neu- und Bestandskundentarife. Energieunternehmen verfolgen die Strategie mit günstigeren Zweitmarken (mit anderem Namen und Auftritt) wechselwillige Kundinnen und Kunden zu halten, während inaktive Kundinnen und Kunden weiter in bestehenden teureren Verträgen bleiben.
Eine zeitliche Nähe von Preiserhöhungen zum In-Kraft-Treten des Stromkostenzuschusses konnte nachgewiesen werden.
Es existiert eine Ungleichbehandlung von Verbraucherinnen und Verbrauchern nach regionalen Aspekten und Kundengruppen.
Die Energielieferanten brachten problematische Preisanpassungsklauseln im Zeitraum der Analyse zur Anwendung.
Branchenuntersuchungen der BWB
Die BWB kann untersuchen, ob es in bestimmten Branchen Probleme im Wettbewerb gibt. Die Behörde greift Probleme auf, die den Wettbewerb in seiner Entwicklung stören. Nach Beendigung einer Branchenuntersuchung, kann die Bundeswettbewerbsbehörde Empfehlungen abgeben, welche darauf abzielen die Problemfelder zu beheben. Damit soll gewährleistet werden, dass der Wettbewerb sich positiv entwickeln kann.
Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde
Neben der vorliegenden Branchenuntersuchung ermittelt die Bundeswettbewerbsbehörde derzeit auch auf Grundlage des Bundesgesetzes zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern und nach Artikel 102 AEUV und § 5 KartG.