„Die Kennzahlen zeigen, dass sehr viel Steuergeld in öffentliche Ausschreibungen fließt. Sie zeigen auch, dass Vergaben, die von Kartellabsprachen betroffen sind, teurer sind, als sie hätten sein müssen. Daher brauchen wir hier eine Nulltoleranz-Policy!“, so Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde.
Ausschreibungsmärkte besonders anfällig für Kartellverstöße
Gerade Märkte für öffentliche Vergaben bergen ein erhöhtes Risiko für wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass öffentliche Auftraggeber häufig dieselben Produkte und Dienstleistungen in einem immer wiederkehrenden Zeitablauf beschaffen. Ähneln sich die nachgefragten Mengen nach einem standardisierten Produkt im Rahmen häufiger Ausschreibungen, wird die Nachfrage des öffentlichen Auftraggebers für die Unternehmen vorhersehbarer und somit wissen Unternehmen auch überwiegend, wer ihre Wettbewerber bei zukünftigen Ausschreibungen sind. Besonders Märkte, in denen Produkte oder Dienstleistungen nur von sehr wenigen Unternehmen angeboten werden, sind für wettbewerbsbeschränkende Absprachen besonders anfällig.
Ermittlungen der Bundeswettbewerbsbehörde
In Österreich hat die BWB in den letzten Jahren zahlreiche Bieterabsprachen erfolgreich aufgedeckt und entsprechend hohe Bußen am Kartellgericht erreicht. Zu nennen sind etwa das österreichweite Baukartell, das Trockenbaukartell, das Fassadenbaukartell, das Meinungsforschungskartell, das Müllkartell oder das Tischlereikartell. Aufgrund der Aufdeckungen von Vergabekartellen wurden insgesamt Geldbußen iHv ca. 194 Millionen Euro verhängt.
„Die Ermittlungen der BWB haben gezeigt, dass viel Zeit und kreativer Aufwand betrieben worden ist, wie man die Wettbewerbsregeln in Österreich umgeht. In einem der zahlreichen Beweismittel wurden Straßenbauprojekte mit Hausnummern, wie zum Beispiel Landesstrasse XX, Hausnummer 135, versehen und per E-Mail an die Wettbewerber verschickt. Die Hausnummer war der Hinweis dafür, dass der Wettbewerber das Angebot mit 135.000 Euro legen sollte“, erklärt Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der BWB.
Kartellrechtswidrige Absprachen erfolgen auf unterschiedlichste Weise. In der Vergangenheit kam es zu Preisabsprachen, Marktaufteilungen, der Bildung kartellrechtswidriger Arbeits- und Bietergemeinschaften und dem Austausch wettbewerbssensibler Informationen. Im Baukartell gab es regelmäßig Treffen zwischen den Wettbewerbern, um sich abzusprechen, welches Unternehmen den Zuschlag bei einer bestimmten Ausschreibung erhalten sollte. Im Gegenzug erhielten jene Unternehmen, die nicht zum Zug kamen, Subaufträge oder es wurde vereinbart, dass diese bei anderen Ausschreibungen als Bestbieter den Zuschlag erhalten sollten.
Aktivitäten der Landesrechnungshöfe
Auch bei Landesrechnungshöfen können Absprachen bei Bieterverfahren ein Thema sein, da diese regelmäßig Auftragsvergaben auf Landes- und Gemeindeebene prüfen. Absprachen im Vergabeverfahren verstoßen gegen das Gesetz und mindern das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des öffentlichen Beschaffungsprozesses. Zudem sind sie kostspielig für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Daher ist eine Verhinderung bzw. ein frühzeitiges Erkennen von Unregelmäßigkeiten bei Ausschreibungen von wesentlicher Bedeutung. Ziel der engen Zusammenarbeit zwischen der Bundeswettbewerbsbehörde und den Landesrechnungshöfen ist es, eine Stärkung des Bewusstseins für Absprachen im Vergabeverfahren herbeizuführen und nachhaltig sicherzustellen.
„Prüfungen der Rechnungshöfe der letzten Jahre haben unterschiedliche Mängel in Vergabeprozessen aufgezeigt, wie bspw. mangelhafte Auftragswertschätzung und Leistungsbeschreibung, eine mangelhafte Wahl des falschen Vergabeverfahrens oder eine lückenhafte Dokumentation des Vergabeprozesses. Dies sind auch Faktoren, die Bieterabsprachen begünstigen“, erklärt René Wenk, Direktor des Landesrechnungshofes Burgenland.
Checkliste für ausschreibende Stellen - Sensibilisierung auf Kartellverstöße
Die Landesrechnungshöfe Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg kooperieren enger mit der BWB, um die ausschreibenden Stellen gegen Kartellverstöße verstärkt zu sensibilisieren.
„Ermittlungen der BWB, wie bspw. beim Baukartell, zeigten Mehrkosten für den öffentlichen Sektor auf, die durch Bieterabsprachen entstehen können. Dies unterstreicht die dringliche Notwendigkeit, mehr in die Prävention von Bieterabsprachen zu investieren. Ob diese Maßnahmen ausreichend sind, können die Landesrechnungshöfe sowohl bei der Landesverwaltung als auch bei den Landesunternehmen sowie den Gemeinden prüfen. Diese Checkliste soll diese Organisationen beim Aufbau und der Weiterentwicklung von Präventionsmaßnahmen, bspw. im Rahmen eines Compliance-Systems, unterstützen“, erklärt René Wenk, Direktor des Landesrechnungshofes Burgenland.
„Wichtig ist, dass kleinere Einheiten - wie etwa Landesrechnungshöfe - ihr aus Prüfungen abgeleitetes Wissen teilen und gemeinsam Methoden zur Verhinderung von rechtswidrigen Vergaben erarbeiten. Hierzu dient auch die mit der BWB entwickelte Checkliste“, so Rudolf Hoscher, Direktor des Landesrechnungshofes Oberösterreich.
„Ziel dieser Checkliste ist es, den ausschreibenden Stellen ein Werkzeug in die Hand zu geben, um Kartellverstöße erkennen zu können. Denn aufgrund der Ermittlungserfahrungen der BWB in den letzten Jahren konnte ein gewisser Fingerabdruck identifiziert werden, der sich bei Kartellverstößen in Ausschreibungen wiederholt. Das Wissen kann für ausschreibende Stellen nützlich sein, um Hinweise auf Kartellverstoße zu finden und zu melden“, so Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der BWB.
Bereits in der Ausgestaltung von Ausschreibungsverfahren können ausschreibende Stellen Maßnahmen ergreifen, um einen fairen und effektiven Wettbewerb zu fördern, wie bspw.:
- Keine auftragsgeberseitige Beteiligung
- Keine Bevorzugung etablierter Bieter
- Vermeidung von Berechenbarkeit bei der Ausschreibung
- Keine Aufforderung an bietende Unternehmen, weitere Unternehmen zur Angebotslegung zur motivieren.
- Einholung von möglichst umfangreichen Informationen über den Markt und die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen
- Meldung von Verdachtsfällen
- usw.
Kartell-Screening - weltweiter Trend
Um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen, gibt es weltweit einen verstärkten Trend hin zu Kartell-Screening-Verfahren. Diese Verfahren ermöglichen es, verdächtige Muster oder Anzeichen in Datensätze zu identifizieren, die auf potenzielle Kartelle hinweisen könnten. Öffentliche Vergabeverfahren stehen hierbei im Fokus. Die Implementierungsmöglichkeiten hängen insbesondere von der Datenverfügbarkeit ab.
Ausschreibende Stellen können in Zusammenarbeit mit der BWB präventive Maßnahmen ergreifen, um Kartellaktivitäten zu unterbinden.
„Ein Kartell-Screening und damit eine frühzeitige Erkennung von Kartellen kann einen guten Schutz vor überhöhten Kosten für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler darstellen“, so Natalie Harsdorf, Genderaldirektorin der BWB.
„Auffällig oft wird eine Wiederbeauftragung mit den Worten begründet: ´Der Bieter kennt uns ja schon Jahrelang und weiß, was wir brauchen.´ Dies führt natürlich in eine Abhängigkeit und möglicherweise auch zu nicht marktkonformen Preisen“, so Rudolf Hoscher, LRH-Direktor Oberösterreich.
Meldung von Verdachtsfällen
Sind Verdachtsmomente vorhanden, können Personen oder Unternehmen sich mit Hinweisen mittels des Beschwerdeformulars an die BWB wenden. (Link: https://www.bwb.gv.at/beschwerdeeinbringung)
Die BWB verfügt zudem über ein eigenes Whistleblowing-System (https://www.bwb.gv.at/kartelle_marktmachtmissbrauch/whistleblower_werden/), wodurch Hinweise anonym an die Behörde übermittelt werden können.