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Zusammenschluss Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien Beteiligungs GmbH / Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. - Durchführung des Zusammenschlusses unter Auflagen zum Schutz der Medienvielfalt gestellt

Bei der Bundeswettbewerbsbehörde wurde am 27.05.2024 ein Zusammenschluss zwischen der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien Beteiligungs GmbH (iF „RH-Bet“), einer Tochter der RAIFFEISEN-HOLDING NIEDERÖSTERREICH-WIEN reg.Gen.m.b.H (iF „RH-NÖ-W“), und dem Zielunternehmen, der Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. (iF „NÖP“), angemeldet.

Die Prüfungsfrist der BWB verlängerte sich auf Antrag der Anmelder um zwei Wochen. Mit Wirkung vom 08.07.2024 wurde der Zusammenschluss nach Konsultation und Einbindung des Bundeskartellanwalts und der KommAustria unter Auflagen gestellt.

Die Anmeldung des Zusammenschlusses erfolgte am 27.05.2024. Ziel der Anmeldung war die Erhöhung der Beteiligung der RH-Bet an NÖP von bisher 20 % auf bis zu 28,6 %. Die Aufstockung sollte durch die Wandlung von Genussrechten erfolgen (Z-6590).

Davor war der Zusammenschluss bereits einmal eingebracht und wieder zurückgezogen worden (Z-6537). Der Fusion ging ein Pränotifikationsverfahren voraus. Unternehmen haben die Möglichkeit sich an die Bundeswettbewerbsbehörde vor der Anmeldung eines Zusammenschlusses zu wenden, wenn der Sachverhalt sehr komplex oder die Marktanteile hoch sind.

Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde

Die Bundeswettbewerbsbehörde führte eine vertiefende Analyse sowie eine Marktbefragung durch, um wettbewerblichen Bedenken nachzugehen.

Marktbefragung

Um einen Einblick in aktuelle Entwicklungen und Trends, die Geschwindigkeit und Dynamik der Anpassungen und die potentiellen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die jeweiligen Anzeigemärkte zu gewinnen, hat die Bundeswettbewerbsbehörde eine dreistufige Marktbefragung durchgeführt:

I. Befragung des Zielunternehmens (NÖP) zur Struktur ihrer Anzeigekunden - und kundinnen

II. Befragung der jeweils größten Kunden und Kundinnen der BVZ und der NÖN des Jahres 2023 für die beiden regionalen Anzeigemärkte Niederösterreich und Burgenland

III. Befragung von Mitbewerbern und Mitbewerberinnen für die Anzeigemärkte in Niederösterreich und im Burgenland

Ziel der Erhebungen war es, Veränderungen und Umschichtungen in den Werbebudgets, die wettbewerbliche Nähe von verschiedenen Medien auf den regionalen Anzeigenmärkten zu erkennen, sowie die Dynamik der Veränderung und aktuelle Trends zu erfassen. Zur Frage der Marktabgrenzung zwischen online und Printanzeigen wurde zwar ein hoher Wettbewerbsdruck von Unternehmen des BigTech-Bereichs festgestellt, nur vereinzelt scheint die Entwicklung so weit, dass man von einem gemeinsamen Markt für Print- und Onlineanzeigen ausgehen könnte.

Soweit die Frage nach den erwarteten Auswirkungen des Zusammenschlusses beantwortet wurde, scheinen Werbekunden und Werbekundinnen keine gravierend negativen Effekten zu erwarten. Konkurrenten bestätigten den hohen Anpassungsdruck und die wirtschaftlichen Herausforderungen, wobei einzelne Mitbewerber und Mitbewerberinnen die Veränderungen auch als Wachstumschance für eigene online-Angebote sehen. Auch die Mitbewerber und Mitbewerberinnen scheinen - trotz des hohen online Wettbewerbsdrucks - derzeit noch von getrennten Märkten für Print-Anzeigen und online Anzeigen auszugehen. Hinsichtlich Fragen nach den Auswirkungen des Zusammenschlusses wurden auch Bedenken bzgl. der künftigen Preisgestaltung geäußert.

Wettbewerbliche Bedenken

Aus Sicht der BWB bestehen insbesondere Bedenken im Hinblick auf das Anzeigengeschäft, welches von der Kronen Zeitung und dem Kurier über die Mediaprint abgewickelt wird. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen der Marktuntersuchung teilweise Bedenken hinsichtlich einer möglichen für den Wettbewerb nachteiligen Preisstrategie (Preiserhöhungen, Segmentspezialisierung, selektive Kampfpreise) geäußert.

Seitens der anmeldenden Unternehmen wurden diesen Bedenken durch eine Auflage Rechnung getragen.

Bedenken hinsichtlich der Medienvielfalt

Durch das Vorhaben wird die Schwelle einer 25%-Beteiligung überschritten, womit formell eine Verbundenheit im Sinne des Kartellgesetzes entsteht. Da RH-Bet bzw RH-NÖ-W bereits medienrechtliche Beteiligungen (wie bspw an der Tageszeitung Kurier mit Regionalbeilagen) zuzurechnen sind, wird durch den Zusammenschluss die Vielfalt von selbständigen Medienunternehmen reduziert, die nicht im Sinne des Kartellrechts miteinander verbunden sind (Außenpluralität, iSv § 13 Abs 2 KartG).

Sowohl NÖN als auch BVZ bieten redaktionelle Inhalte an zu Politik, Wirtschaft, Kultur, Medien, Sport, Reisen, Europa, Leserforen etc. und weisen durch die Vielzahl der Regionalausgaben jeweils eine enge Verbundenheit und Nähe zu den Lesern und Leserinnen auf. Eine ausführliche und facettenreiche regionale und lokale Berichterstattung in den genannten Bereichen, ist also die „Unique Selling Position“ der Medien der NÖP.

Aufgrund des gegebenen wirtschaftlichen Anpassungsdrucks besteht auch die Gefahr einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Medien bzw. Medienhilfsunternehmen und Mediendiensten der RH-NÖ-W und den Medienbereichen der NÖP. Dabei könnte es nicht nur um den Bezug von Leistungen des jeweils anderen Unternehmens gehen, ggf. könnte dies auch die redaktionelle Unabhängigkeit betreffen, wenn etwa Synergien durch Kooperationen, verstärkte Zusammenarbeit im redaktionellen Bereich, gemeinsame Entwicklung von neuen redaktionellen Produktangeboten etc. lanciert würden. Ein Ausbau einer solchen Zusammenarbeit soll durch die Auflagen hintangehalten werden, da dies die Medien- und Meinungsvielfalt beeinträchtigen könnte.

Marktabgrenzung

Der Fokus der Untersuchung der BWB im Rahmen der Prüfung des Zusammenschlusses lag auf den Leser- und Leserinnenmärkten und vor allem Anzeigemärkten für Niederösterreich und dem Burgenland.

Einleitend ist aus Sicht der BWB festzuhalten, dass die Medienmärkte, wie kaum ein anderer Bereich der Wirtschaft, von der Digitalisierung iwS betroffen sind. Traditionelle Medienunternehmen sind zunehmend unter Druck und müssen erhebliche Maßnahmen ergreifen, um sich den digitalen Herausforderungen zu stellen.

Für die sachliche Marktabgrenzung sind daher Fragen wie geänderte Nutzungsgewohnheiten (zB always on, mobil, soziale Netze), neue Formate und Angebote (zB e-paper, soziale Netze), aber auch veränderte Angebote relevant, bei denen nicht mehr nur ein bestimmtes Medium, sondern Vermarktungstätigkeiten im Mittelpunkt stehen, die mit dem genutzten Medien Mix Cross-medial einhergehen. Während diese Entwicklungen und weitere technologische Möglichkeiten einige grundlegende Fragen zur sachlichen Marktabgrenzung aufwerfen, ist die räumliche Dimension der in gegenständlichem Zusammenschluss betroffenen Märkte klar auf Niederösterreich und das Burgenland eingrenzbar. Während dazu seitens der Anmelderin Entscheidungen der Europäischen Kommission vorgebracht worden sind und die BWB auch die österreichische Judikatur herangezogen hat, tragen diese Entscheidungen den aktuellen digitalen Entwicklungen nicht vollständig Rechnung.

Zu den beteiligten Unternehmen

Die direkte Erwerberin Raiffeisen-Holding NÖ-Wien Beteiligungs GmbH (RH-Bet)

RH-Bet ist eine zu 100 % von der RH-NÖ-W gehaltene Tochtergesellschaft und verwaltet den bisherig gehaltenen 20%-Anteil an der NÖP. Die Muttergesellschaft RH-NÖ-W ist indirekt Miteigentümerin der Medicur Holding Gesellschaft mbH (iF „Medicur“), die eine Reihe von Beteiligungen an Medienunternehmen hält. So hält sie ua indirekt Anteile an der Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH (iF „Kurier“). Die nachstehenden Informationen über Kurier sind für das Verständnis des gegenständlichen Verfahrensausgangs von Bedeutung:

Kurier selbst ist in den Märkten für nationale, wie auch regionale Kauf-Tageszeitungen tätig und bietet über ein Tochterunternehmen ein eigenes Nachrichtenmagazin (Profil) an. Darüber hinaus ist Kurier auch im Onlinedienst sowie im Rund- und Hörfunk tätig. Die Tageszeitung Kurier ist ebenfalls an der Austria Presse Agentur (iF „APA“) sowie an der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlags GmbH (iF „Mediaprint“) beteiligt. Weitere Gesellschafter von Mediaprint sind die KRONE Verlag GmbH & Co Vermögensverwaltung KG (iF „Kronen Zeitung“) sowie indirekt die FUNKE Mediengruppe und die Signa Holding. Mediaprint erbringt Dienstleistungen (zB Druck und Hauszustellung von Zeitungen) und ist im Bereich des Telefonmarketings, des Anzeigengeschäfts sowie dem Marketing tätig.

Darüber hinaus ist RH-NÖ-W an der Österreichischen Rundfunksender GmbH & Co KG (iF “ORS“) indirekt beteiligt. Die ORS stellt Content-Anbietern die Übertragung von Audio- bzw. audiovisuellen Angeboten via Terrestrik, Satellit und Kabel bereit und bietet auch IP Services und CDN Lösungen. Sie erbringt unter anderem Dienste für den ORF aber auch für private Anbieter, wie Krone TV.

Das Zielunternehmen Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. (NÖP)

NÖP ist auf den Märkten der regionalen Kauf-Wochenzeitungen, Gratiszeitungen, Onlinedienste, im Rundfunk und auch im Verlagswesen tätig. Zusätzlich zur Präsenz in Niederösterreich durch die Zeitung Niederösterreichischen Nachrichten (iF „NÖN“) und andere Medienprodukte ist die NÖP auch mit der BVZ Burgenländische Volkszeitung (iF „BVZ“) im Burgenland vertreten.

Hinsichtlich der Mediaprint bestehen einige Berührungspunkte bei Druck und Hauszustellung. Darüber hinaus bestehen punktuell gemeinsame Geschäftstätigkeiten mit einer Tochtergesellschaft des Kuriers, etwa im Rahmen des Regionalverbandes R9. Die NÖP ist nicht an der APA beteiligt, verwendet aber den Nachrichtendienst regelmäßig für eigene Zwecke.

Bindende Auflagen

Zur Adressierung dieser Bedenken wurden folgende Verpflichtungszusagen als notwendig und ausreichend gesehen:

1. Beschränkung des Beteiligungsausmaßes

RH-Bet verpflichtet sich die Erhöhung der Anteile in dem Ausmaß eingeschränkt zu halten, dass die Anteile nicht über die in der Zusammenschlussanmeldung beschriebene Höhe von max 28,6 % sowie einem einzigen Sitz im Aufsichtsrat der NÖP überschreitet.

2. Anzeigemärkte

RH-Bet und NÖP stellen klar, dass mit dem Zusammenschluss keine Zusammenlegung der Vermarktungsaktivitäten im Zusammenhang mit Anzeigen/Werbung im Bereich Print und online verbunden ist oder bewirkt werden soll und diese Aktivitäten auch weiterhin getrennt geführt werden.

3. Sicherstellung der Medienvielfalt

Bisherige interne Schutzvorkehrungen zum Schutz der redaktionellen Unabhängigkeit und Aufrechterhaltung von Transparenz sollen weiterhin aufrecht erhalten bleiben. Eine besondere Pflichtstellung trifft hierbei die RH-Bet in Bezug zu den Medien der NÖP und ihrer Tochtergesellschaften sowie die Medien vom Kurier samt Tochtergesellschaften. Dies gilt auch für zukünftig neu geschaffene Medienangebote der NÖP oder ihrer Tochterunternehmen.

Konkret soll die Unabhängigkeit durch die Beibehaltung einer eigenständigen Redaktion, Geschäftsführung und eigenständiger Redaktionsstatute sichergestellt werden.

4. Sonstige Pflichten

Um die Einhaltung der ersten drei Punkte zu garantieren, wurden den beteiligten Unternehmen ein Umgehungsverbot und gewisse Berichtspflichten auferlegt.

Verpflichtungszusagen Z 6509 Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien Beteiligungs GmbH / Niederösterreichisches Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H.