Rechtssicherheit und Transparenz: Aktualisierter Standpunkt zu Settlements
Gelangt die BWB nach Abschluss der Ermittlungen zum Schluss, dass bestimmte Handlungsweisen von Unternehmen kartellrechtswidrig sind, bringt die BWB den betroffenen Unternehmen diese Vorwürfe mittels einer sogenannten Mitteilung der Beschwerdepunkte („MdB“) zwecks rechtlichem Gehör zur Kenntnis. Unternehmen können zu diesem Zeitpunkt noch vor Einleitung des Verfahrens vor dem Kartellgericht an die BWB herantreten, um, im Rahmen von einvernehmlichen Verfahrensbeendigungen („Settlements“) das Verfahren auf beschleunigten Weg in einem nicht streitigen Verfahren abzuschließen. Bei diesen Settlements handelt es sich nicht um einen Vergleich, sondern die Unternehmen anerkennen den von der BWB ermittelten Sachverhalt, treten der rechtlichen Würdigung nicht entgegen und akzeptieren die Höhe der von der BWB für angemessen erachteten Geldbußenhöhe. Der Bundeskartellanwalt wird seitens der BWB als zweite Amtspartei in diese Gespräche in einem frühen Stadium auch bereits eingebunden. Die Kooperation der Unternehmen wird bei der abschließenden Bemessung des Bußgeldes berücksichtigt und dem Kartellgericht die Untersuchungsergebnisse der BWB verbunden mit dem Anerkenntnis der Unternehmen vorgelegt.
Die BWB hat den Standpunkt um wesentliche Aspekte aus der seit 2014 gewonnenen Praxis erweitert. So werden die Voraussetzungen für ein Settlement und der Ablauf des Prozesses, auch im Hinblick auf den zu gewährenden Abschlag auf die Geldbuße, näher definiert. Die verschiedenen Arten der möglichen Kooperation mit der Behörde (im Rahmen des Kronzeugenprogrammes, außerhalb des Kronzeugenprogrammes, Anerkenntnis im Rahmen des Settlementverfahrens), deren Unterschiede werden klarer dargestellt. In diesem Kontext wurde die Höhe des maximalen Settlement-Abschlags von bisher 20 % auf 15 % herabgesetzt. Dieser neue Abschlag gilt für (zukünftige) Verfahren der BWB.
Weitere Guidance betreffen die Behandlung und den Schutz sogenannter „privilegierter Dokumente“, und sog. „Hybridverfahren“ (Verfahren gegen mehrere betroffene Unternehmen, wobei mindestens ein Unternehmen ein Settlement-Verfahren anstrebt, die übrigen Unternehmen aber den „streitigen“ Weg suchen) sowie Veröffentlichungspflichten im Zuge von Settlementverfahren.
„Einvernehmliche Verfahrensbeendigungen können rasch Rechtssicherheit bringen, gleichzeitig werden auf allen Seiten Ressourcen effizienter genützt. Sie sind jedoch nicht für alle Fallkonstellationen geeignet, nämlich insbesondere dann nicht, wenn wichtige Fragen des Sachverhalts oder der rechtlichen Beurteilung strittig sind. Wichtig ist auch zu betonen, dass die Feststellung des Sachverhalts und die rechtliche Beurteilung in Österreich immer - auch bei Settlements - durch das Kartellgericht erfolgt und die Ergebnisse der BWB damit stets einer gerichtlichen Überprüfung standhalten müssen.“ so Natalie Harsdorf-Borsch.
„Wir Anwältinnen und Anwälte, die überwiegend im Kartellrecht tätig sind, schätzen die BWB-Praxisleitfäden und vor allem auch die von der BWB eingeräumte Möglichkeit zur Mitwirkung im Wege der Konsultation zu Entwürfen. Wir können auf diesem Weg auch unsere Erfahrungen aus der täglichen Beratungspraxis einbringen.“, erklärt Dr. Axel Reidlinger, Vorstandsmitglied der Studienvereinigung Kartellrecht.
Nach der Begrüßung stelle der Leiter der BWB Rechtsabteilung, Alexander Koprivnikar, die grundlegenden Neuerungen und dahinterstehenden Überlegungen dar.
In der anschließenden Praxisdiskussion diskutierten der Bundeskartellanwalt, Ludwig Majer, seitens der BWB der Leiter der Prozessführungsabteilung, Anastasios Xeniadis, gemeinsam mit RA Martin Eckel und RA Astrid Ablasser unter der Moderation der Senatspräsidentin des Kartellgerichts, Sonja Köller-Thier.
Der aktualisierte Standpunkt ist hier abrufbar.