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Industriezucker-Kartell: Nach Vorabentscheidung des EuGH gibt das Kartellobergericht dem Rekurs der BWB gegen die Anwendung des Doppelbestrafungsverbots statt (OGH als KOG 16Ok2/22p)

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ist mit ihrem Teil-Rekurs gegen die abweisende Entscheidung des KG im Industriezuckerkartell gegen die Anwendung des Doppelbestrafungsverbots durchgedrungen. Mit Beschluss des Kartellobergerichts (KOG) wurde nun festgestellt, dass die Zuckerhersteller Nordzucker AG und Südzucker AG eine kartellrechtswidrige Absprache getroffen hatten und die Bemessung der Geldbuße gegen Südzucker AG in erster Instanz vom KG weiter behandelt werden muss.

Nachdem das Kartellgericht (KG) den Antrag der BWB (Pressemeldung vom 10.09.2010) mit dem Argument des Doppelbestrafungsverbots (ne bis in idem) zunächst abgewiesen hatte, stellte die BWB einen teilweisen Rekurs an das KOG (Pressemeldung vom 14.08.2019). Im Rahmen des Rekursverfahrens legte die BWB sowohl eine Stellungnahme des deutschen Bundeskartellamts, als auch des amerikanischen Department of Justice vor. Das KOG legte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einige Fragen im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens dazu vor (Pressemeldung vom 02.04.2020). Die Entscheidung des EuGH wurde am 22.03.2022 veröffentlicht (Pressemeldung vom 22.03.2022 - mit einer Zusammenfassung des EuGH-Judikats).

Nun entschied das KOG im Einklang mit den erfolgten Hinweisen des EuGH, dass der Grundsatz des Doppelbestrafungsverbotes in diesem Fall eben nicht greife, da keine Identität der Taten, die einerseits vom deutschen Bundeskartellamt festgestellt und andererseits von der BWB vorgebracht wurden, vorliegt. Die fehlende Identität ergibt sich daraus, dass das Bundeskartellamt nur die Auswirkungen auf das deutsche Territorium bebußte. Das KOG folgte damit der Argumentation der BWB, welche diese auch vor dem EuGH vertreten hatte.

Das KOG stellte in weiterer Folge fest, dass die Zuckerhersteller Nordzucker AG und Südzucker AG im Jahr 2006 eine kartellrechtswidrige Absprache in Form einer Gebietsabsprache getroffen und damit gegen das europäische und österreichische Kartellverbot verstoßen hatten.

Hinsichtlich Südzucker AG hob das KOG daher den abweisenden Beschluss des KG teilweise auf und wies das Verfahren im Hinblick auf die Bußgeldbemessung zur Verfahrensergänzung vor dem KG zurück, da die notwendigen Feststellungen zu den für die Bemessung der Geldbuße maßgeblichen Kriterien fehlen. Das KOG betonte dabei unter anderem, dass nur mit einer angemessen hohen Geldbuße eine abschreckende Wirkung erzielt werden kann und dass auch in Österreich zur wirksamen Bekämpfung von Kartellverstößen Geldbußen in einer Größenordnung zu verhängen sind, wie sie auf Unionsebene und in zahlreichen Mitgliedstaaten bereits seit langem üblich sind.

Bezüglich dem Kronzeugen Nordzucker AG bestätigte das KOG den Antrag der BWB dahingehend, dass die Möglichkeit der gerichtlichen Feststellung ohne Verhängung einer Geldbuße im Fall der Kartellbeteiligung eines Kronzeugen möglich sei. Das KOG nahm die entsprechenden Feststellungen selbst vor.

RIS - 16Ok2/22p - Entscheidungstext - Justiz (bka.gv.at)