Die Gründung der HYGIENE AUSTRIA wurde erst am 12.05.2020 bei der BWB angemeldet. Nach Ansicht der BWB wurde der Zusammenschluss jedoch noch ohne Abwarten des fusionskontrollrechtlichen Prüfverfahrens bereits früher vollzogen. Die BWB wurde durch eine parlamentarische Anfrage darauf aufmerksam, dass der Zusammenschluss nach Ansicht der BWB bereits vor einer Anmeldung und abgeschlossenen Prüfung durch die Wettbewerbsbehörde durch die Parteien vollzogen wurde. Der Zusammenschluss wurde nach Ansicht der BWB vielmehr bereits mit 24.04.2020 vollzogen, unter anderem weil die Gründungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits medial und öffentlich so auftraten, als wäre der Zusammenschluss bereits durchgeführt worden. Im Fall der HYGIENE AUSTRIA ist der erstmalige Marktauftritt und folglich die Durchführung des Fusionsvorhabens jedenfalls zum Zeitpunkt der APA Pressemeldung vom 24.04.2020 anzunehmen, da spätestens ab diesem Zeitpunkt Marktstrukturveränderungen möglich waren. So konnten Mitbewerber oder Kunden Kenntnis hiervon erlangen und ihr jeweiliges Marktverhalten an diese neuen Umstände anpassen.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt wurde nur von Lenzing außer Streit gestellt und ein Anerkenntnis abgegeben. Palmers hingegen bestreitet den Antrag der BWB.
Die BWB stellte am 19.03.2024 getrennte Anträge auf Verhängung von Geldbußen, wobei gegen Lenzing eine Geldbuße in Höhe von EUR 75.000 und gegen Palmers eine angemessene Geldbuße beantragt wurde. Bezüglich Lenzing wurde die Kooperation mit der BWB mindernd berücksichtigt.
Betroffener Markt
Das Zusammenschlussvorhaben betrifft den Markt für die Herstellung und den Vertrieb von Schutzmasken. Das Zusammenschlussvorhaben (Z-4887) wurde mangels wettbewerblicher Bedenken mit Wirkung vom 26.05.2020 freigegeben.
Lenzing Aktiengesellschaft ist ein österreichischer Hersteller von Zellulosefasern auf Holzbasis. Palmers Aktiengesellschaft ist ein österreichischer Textil- und Kleidungshersteller. Hygiene Austria LP GmbH stellt Schutzmasken her, die im Rahmen der Sars-Cov-19-Pandemie zum Einsatz kamen.
Verbotene Durchführung eines Zusammenschlusses
Unter einer verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses versteht man die Durchführung anmeldepflichtiger Zusammenschlüsse vor der Freigabe der BWB und des Bundeskartellanwaltes bzw. des Kartellgerichts. Wegen verbotener Durchführungen kann das Kartellgericht auf Antrag der BWB eine Geldbuße verhängen.
Das Durchführungsverbot schützt den Wettbewerb vor potentiellen und tatsächlichen marktbeschränkenden Auswirkungen nicht genehmigter Zusammenschlüsse.