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20. Competition Talk der BWB "Wettbewerb, Produktivität und Wirtschaftsentwicklung​"

Am 15.12.2015 fand der 20. Competition Talk der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) statt, der diesmal wieder in Wien in den Räumlichkeiten des Hotels Stefanie abgehalten wurde.

Wettbewerb, Produktivität und Wirtschaftsentwicklung​

Einleitung

Generaldirektor Dr. Thanner begrüßte die Gäste, sprach die Eröffnungsworte und übergab anschließend das Wort an Sarah Fürlinger, LL.M. welche die Vortragenden vorstellte und als Moderatorin durch die Veranstaltung führte.

Impulsreferate

I.a. Wettbewerb, Innovation und Produktivität als System

Als erster Redner widmete sich Dr. Michael Peneder (Wifo) der Produktivität, welche er als zentrales Maß von Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung ansah. Dazu gäbe es unterschiedliche Ausprägungen, beispielsweise die Multifaktorproduktivität(MFP oder auch TFP), welche die Effizienz in der Produktion messe. Die Arbeitsproduktivität, welche sich der Wertschöpfung je Arbeitsstunde / Beschäftigte widme und die Fähigkeit durch Arbeit Einkommen zu schaffen messe, sei beeinflusst von Effizienz und Kapitalintensität. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner (BIP pro Kopf)  misst den materiellen Wohlstand einer Gesellschaft (nicht Verteilung, nicht Lebensqualität). Das BIP sei etwa beeinflusst von Effizienz, Kapitalintensität, Partizipation und Arbeitsstunden.

b. Innovation und Diffusion 
In einem weiteren Punkt seines Vortrages sprach Dr. Peneder über Innovation und Diffusion. Demnach zeichnete Schumpeter die wirtschaftliche Entwicklung nach folgendem Modell: Die Entwicklung sei gleich Wachstum und qualitative Veränderung. Weiters handle es sich hier um einen unstetigen aber wiederkehrenden Kreislauf. Innovation führe zu Diffusion, dadurch steige die Produktivität, wodurch die Preise fallen und das Realeinkommen wiederum steigen würden.

Moderne, „endogene" Wachstumstheorien würden im Modell auch die Anreize für Innovation erklären, so Dr. Peneder abschließend.

c. Wettbewerb
Weiters erläuterte Dr. Peneder die weitgehende Übereinstimmung von „Common Sense" und ökonomischen Modellen. Unternehmen könnten sich durch Innovation von ihren Konkurrenten absetzen und damit „temporäre Monopolrenten" generieren. Damit sei Wettbewerb ein Anreiz für Innovation („escape competition effect"). Weiters  beschleunigt Wettbewerb Imitation/Diffusion, wodurch es zu einer Erosion von „Monopolrenten" komme. Zuletzt zwinge Wettbewerb aber auch zu mehr Effizienz in der Produktion, drücke weiter die Preise und erhöhe die Realeinkommen. Dr. Peneder führte weiter aus, dass dieses Spannungsfeld das Design von zeitlich befristeten Schutzrechten für geistiges Eigentum wie Patente, Gebrauchsmuster, etc. bestimme (Trade-off Innovation).

d. Mehr Wettbewerb – mehr/weniger Innovation?
Zur Thematik eines "mehr" an Wettbewerb führte Dr. Peneder aus, dass sich Innovationen nicht nur auf den Wettbewerb, sondern Wettbewerb auch auf die Innovationen auswirke. Diese wechselseitige Abhängigkeit mache das Problem komplex. Demnach attestiere Schumpeter (1911) eine "logische Unmöglichkeit von Innovation bei „vollkommenen" Wettbewerb", da es ohne Möglichkeit temporärer Monopolrenten kein Anreiz für Innovation gäbe. Nach Arrow (1962), hätte ein geschütztes Monopol weniger Anreize für neue Innovationen, weil diese die eigene Monopolrente ablösen würden, wonach bestreitbare Innovationsmärkte einen Anreiz schaffen würden, die Monopolrente der anderen Unternehmen zu gewinnen.

e. Die Hypothese vom „invertierten-U"
Die Wirkung zwischen Wettbewerb und Innovation hänge von der Ausgangssituation ab. Bei geringem Wettbewerb führe mehr Wettbewerb zu größeren Innovationsanreizen, umgekehrt führe bei intensivem Wettbewerb mehr Wettbewerb zu geringeren Innovationsanreizen. Im Jahr 1976 (Kamien - Schwarz) gab es das erste Modell in dem ein solcher nichtlinearer Zusammenhang zwischen Wettbewerb und Innovation abgebildet wurde („inverted-U relationship"). Im Jahr 2005 (Aghion et al.) kam es zur Neuentdeckung der „inverted-U"-Hypothese („pre- vs post-innovation rents"; „rent-dissipation" vs „escape competition effect"). Seither gab es ein stark wachsendes Interesse an dieser Methodik (z.B. Peneder – Wörter, 2014).

Jüngste Ergebnisse zeigen, dass sehr innovative und produktive Unternehmen am meisten von stärkerem Wettbewerb profitieren („neck-to-neck" vs „leader – follower" Wettbewerb).

Bei der wettbewerbspolitischen Bedeutung müsse man unterscheiden zwischen Wettbewerb um den Markt und den Wettbewerb im Markt, zwischen Innovations- und Produktmärkten und zwischen Märkten mit geringer und mit hoher Wettbewerbsintensität. Gerade bei bestreitbaren Märkten und bei geringer Wettbewerbsintensität führe mehr Wettbewerb zu mehr Innovation.

II.a. Die Bedeutung schnell wachsender Unternehmen

Im zweiten Vortrag beleuchtete Dr. Werner Hölzl (Wifo) die Bedeutung schnell wachsender Unternehmen. Nach Dr. Hölzl bedürfe es hier einer Verfügbarkeit von Daten für empirische Forschung und den Zusammenhang mit wirtschaftlicher Dynamik, Innovation und Strukturwandel zu analysieren. Im Vergleich zu den USA und Asien hätte Europa „alte" große Unternehmen. Kaum ein europäisches Großunternehmen wurde nach 1970 gegründet. "Unternehmertum ist mehr als nur Gründungen", stellte Dr. Hölzl fest und fuhr fort, dass die Anzahl der schnell wachsenden Unternehmen als zunehmend wichtiger erachtet würde als die Anzahl von Gründungen. Empirisch zeige sich, dass es einen unterschiedlichen Zusammenhang zwischen Gründungen und schnell wachsenden Unternehmen in Dienstleistungsbranchen und Sachgüterbranchen gäbe.

b. Determinanten von schnellen Wachstum
Dr. Hölzl machte die Unterschiede in der Anzahl von schnell wachsenden Unternehmen zwischen Ländern in mehreren unterschiedlichen Determinanten aus. Wichtig sei hierbei zunächst der Blick auf die Konjunktur und Nachfrage. Weiters seien Institutionen, Forschung und Entwicklung sowie Wissen weitere Faktoren für die Ermittlung schellen Wachstums. Beispiele für Interaktion von Rechtsystem und Innovation seien beispielsweise Silicon Valley in den USA und die dort vorherrschende gerichtliche Nichtdurchsetzbarkeit von Konkurrenzklauseln in Kalifornien. Dadurch konnten ehemalige Mitarbeiter leichter neue Unternehmen gründen. Spezialisierungsmuster in Hochtechnologie würden daher stark mit Qualität des Rechtssystems korrelieren. Branchen/Länder mit mehr Hochtechnologieunternehmen hätten jedoch auch mehr Unternehmen die wiederum schnell schrumpfen.

c. Welche Unternehmen wachsen schnell
Nach Dr. Hölzl gäbe es kaum Unternehmen, die wiederholt schnell wachsen. Die meisten schnell wachsenden Unternehmen seien „One-Hit-Wonder". Darüber hinaus gäbe es auch kaum Möglichkeiten, ex-ante festzustellen, welche Unternehmen schnell wachsen würden und welche nicht, da dies von zahlreichen Faktoren abhängig sei. Auch sei keine sektorale Konzentration von schnell wachsenden Unternehmen erkennbar - auch nicht in Hochtechnologiebranchen. "Auf ein Google kommen viele „erfolglose" Hochtechnologie Start-ups", fügte Dr. Hölzl abschließend hinzu.

d. Auswirkungen von schnellem Wachstum
Länder und Branchen mit mehr und schneller wachsenden Unternehmen (dynamischere Wachstumsverteilung auf Unternehmensebene) hätten tendenziell auch ein höheres und schnelleres Produktivitätswachstum erklärte Dr. Hölzl weiter. Dies sei auch ein Indikator von offeneren und dynamischen Märkten, was wiederum mehr Wettbewerb bedeute. In Hinblick auf die Wohlfahrtseffekte sei diese Entwicklung noch unklar, da eine solche Dynamik auch Kosten verursachen könne.

e. Schnell wachsende Unternehmen in Österreich
Ergebnisse würden zeigen, dass die Wachstumsdynamik auf Unternehmensebene in Österreich geringer sei, als in anderen Ländern. Die Ursachen seien nur schwierig zu benennen. Eine Rolle spiele auf jeden Fall die Wirtschaftsstruktur, das unternehmerische Ökosystem, Institutionen, Wirtschaftspolitik (z.B. Zugangsregulierungen) und das Finanzsystem.

f. Wie können schnell wachsende Unternehmen unterstützt werden?
"Wachstumsunternehmen sind weder Wildtiere, deren ökonomische Energie durch Deregulierung entfesselt wird, noch scheue Hauskätzchen, die behutsam auf den internationalen Wettbewerb vorbereitet werden müssen", erklärte Dr. Hölzl.
Rahmenbedingungen dafür würden die institutionelle Qualität (Verwaltung, Regulierung und Rechtssystem), Effiziente Regulierung mit geringen Wachstums- und Eintrittsbarrieren sowie Forschung und Entwicklung darstellen. Weiters trage ein unternehmerisches Ökosystem mit Rahmenbedingungen durch finanzielle Förderungen dazu bei. Ebenfalls seien lokale Wissensbasen und Netzwerke zentral, jedoch zwischen den Branchen unterschiedlich.
"Es gibt keine „Kopiervorlagen": Alle Versuche das „Silicon Valley" zu kopieren sind bisher gescheitert. Informelle und formelle institutionelle Elemente und die industrielle Basis sind nicht kopierbar oder können nicht aus dem „Nichts" geschaffen werden", schloss Dr. Hölzl seine Ausführungen. 

III.a. Rolle der Wettbewerbspolitik

Als letzter Redner erläuterte Dr. Dominik Erharter (BWB), dass Wettbewerb durch Innovation, Adaption und Marktanteilsverschiebungen zu Produktivitätswachstum führe und damit zu langfristigem Wirtschaftswachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen beitrage.

Weiters beleuchtete er auch den Beitrag der Wettbewerbspolitik in diesem Zusammenhang. Laut einem Literatursurvey der OECD erhöhe effektive Wettbewerbspolitik sowohl das Produktivitätswachstum als auch das Wirtschafts-wachstum (OECD 2014). Weiters schaffe Wettbewerbspolitik Anreize für produktivitätssteigernde Maßnahmen (Syverson, 2011). Eine sehr aufwendige Studie im Auftrag der DG ECFIN untersuche zudem die Abschreckungswirkung von Wettbewerbspolitik und deren Auswirkungen auf Produktivitätswachstum (Buccirossi et al 2011, 2013).

b. Wettbewerbspolitik und soziale Wohlfahrt
Dr. Erharter führte weiter aus, dass Wettbewerbspolitik die Gestaltung des Wettbewerbsrechts und seiner Durchsetzung bezeichne. Ziel der Wettbewerbspolitik sei es, durch die Sicherstellung eines fairen und effizienten Wettbewerbs die soziale Wohlfahrt zu maximieren (Buccirossi et al 2011, Duso 2014). Die Methoden der Wettbewerbspolitik würden zur Schaffung struktureller Voraussetzungen für Wettbewerb statt Preisregulierung und anderen Mikroeingriffen führen. Der Konsumentennutzen erhalte in der Zielfunktion der Wettbewerbspolitik in der Regel besonderes Gewicht.

c. Effektivität der Wettbewerbspolitik
Im Weiteren erläuterte Dr. Erharter die Effektivität der Wettbewerbspolitik. Demnach erfolge die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch allgemeine Abschreckung, die nach Becker (1968) von folgenden Faktoren abhänge:

    • Strafhöhe: Die Abschreckung steige im Schaden, den ein Unternehmen und seine Manager im Falle einer Bestrafung erleiden müssten.
    • Entdeckungswahrscheinlichkeit: Die Abschreckung steige in (wahrgenommener) Wahrscheinlichkeit, dass Wettbewerbsverstöße entdeckt würden.
    • Fehlerwahrscheinlichkeit: Die Abschreckung sinke in der Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen fälschlicherweise bestraft/nicht bestraft würde.

Analog steige bei Fusionen die Abschreckung in der Wahrscheinlichkeit, dass problematische Fusionen erkannt und verboten würden. Die maximale Abschreckung wäre erreicht, wenn es keine Kartelle oder wettbewerbswidrigen Vereinbarungen mehr gäbe und alle angemeldeten Fusionen unproblematisch wären. 

d. CPI: Die Messung von Abschreckung
Durch den sogenannten Competition Policy Index (CPI) (Buccirossi et al. 2011; Duso 2014) könne die Messung von Abschreckung erfolgen.

Dieser Index umfasst institutionelle Merkmale, wie Unabhängigkeit (Weisungsfreiheit), Gewaltenteilung (Art des Berufungsgerichtes etc.), Qualität der Gesetze (Beweislast, Kronzeugenregelung etc.), Umfang der Ermittlungsbefugnisse (Hausdurchsuchungen etc.) sowie Sanktionen (Maximale Schadenshöhe) auf der einen Seite und Durchsetzungsmerkmale wie etwa Ressourcen (Budget, Personal, Qualifizierung des Personals) und Aktivität (Anzahl der Fälle und der Sanktionen) auf der anderen Seite. Laut Duso (2014) seien all diese Merkmale hoch korreliert.

Hauptergebnis der empirischen Studie von Buccirossi et al (2013) war, dass eine Erhöhung des CPI um 1%  das Produktivitätswachstum um 4,5% steigere. Duso (2014) führt dazu das folgende Beispiel an: Zwischen 2000 und 2001 erhielt die niederländische Wettbewerbsbehörde ein höheres Budget und qualifiziertere Mitarbeiter. Der CPI der Niederlande stieg dadurch um 16,4% an. Laut der Untersuchung von Buccirossi et al (2013) erhöhte sich dadurch das Produktivitätswachstum der Niederlande um 73% (16,4*4,5). In der niederländischen Textilindustrie entsprach das einem Anstieg des Produktivitätswachstums von 1,2% auf 2,1% (1,2*1,73). 

e. Wettbewerbspolitik in Österreich
Für Österreich gäbe es bisher keine empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen der Wettbewerbspolitik auf das Produktivitätswachstum. Nach Duso (2014) sind gutes institutionelles Design und eine gute Ressourcenaustattung hoch korreliert. "Die bestehende empirische Evidenz aus anderen Ländern legt nahe, dass Österreich von einer Aufwertung der Wettbewerbspolitik profitieren könnte. Das dürfte umso mehr zutreffen, da die BWB die kleinste Wettbewerbsbehörde Europas ist" so Dr. Erharter abschließend. 

Nach der Diskussionsrunde bedankte und verabschiedete sich GD Dr. Thanner bei den Vortragenden und Gästen des 20. Competition Talk.