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Bundeswettbewerbsbehörde präsentiert den Abschlussbericht der Branchenuntersuchung Lebensmittel

Im Oktober 2022 startete die BWB eine umfassende Branchenuntersuchung in der Lebensmittelbranche. Ein Jahr später liegen die Ergebnisse nun vor.

Die Untersuchung wurde vor dem Hintergrund signifikanter Preissteigerungen für die Konsument:innen, der globalen und europäischen Entwicklungen in der Wertschöpfungskette und steigender Inflation begonnen.

Der Bericht liefert einen wettbewerblichen 360 Grad Überblick des Lebensmittelmarktes in Österreich und gibt transparent die aktuelle Marktsituation wieder. Er beinhaltet eine beachtliche Menge an Daten und Fakten, die für Maßnahmen im Sinne des Wettbewerbs und des Verbraucher:innenschutzes genützt werden können“, so Natalie Harsdorf-Borsch, Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde.

Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde in der Branchenuntersuchung

Die BWB hat insgesamt in zehn Runden Auskunftsverlangen versendet und 700 Handelsunternehmen sowie über 1.500 Lieferant:innen befragt. Weiters wurden umfangreiche Daten von GfK zugekauft und analysiert. Die OenB hat tägliche Preisdaten, die aus einer Auswahl von Online-Shops des österreichischen Lebensmittelhandels aufgenommen wurden für die BWB analysiert. Zusätzlich wurde eine Konsument:innenbefragung mit rund 1.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt.

Die Fragen zielten darauf ab, die wettbewerbliche Situation in der Lebensmittelbranche zu evaluieren. Es wurden unter anderem Kennzahlen zu Umsätzen, zum Sortiment, den Kosten, zur Preissetzung, oder bspw. zu Eigenmarken abgefragt. Dabei wurde der Fokus entlang der Wertschöpfungskette insbesondere auf die Stufen der Verarbeitungsindustrie und des Handels bis hin zu den Konsument:innen gelegt.

Für die Untersuchung wurde als Grundlage ein Referenzwarenkorb zusammengestellt. Die Analyse konzentrierte sich dabei auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs wie bspw. alkoholfreie Getränke, Fleisch, Fisch, Wurst Eier, Ost Gemüse, Brot/Gebäck/Feinbackwaren, Molkereiprodukte, Convenience Food, Speiseöl, Tiefkühlkost, Süßwaren sowie pikante Snacks.

Ergebnisse der Branchenuntersuchung

Die Analyse zeigt mehrere Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation. Die Anzahl der eingemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten ist beunruhigend, gleichzeitig sehen wir Schwächen des Binnenmarktes und die Situation der Verbraucher:innen im Hinblick auf Preistransparenz sollte gestärkt werden.“, erklärt Natalie Harsdorf-Borsch, Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde.

Folgende Ergebnisse der Branchenuntersuchung werden überblicksmäßig wiedergegeben:

ALLGEMEINE WETTBEWERBSITUATION IM MARKT FÜR LEBENSMITTEL

Hohe Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), aber keine wesentliche Verschiebung der Marktanteile

In Österreich besteht im LEH eine hohe Marktkonzentration. In den letzten Jahren kam es zu keinen wesentlichen Verschiebungen der Marktanteile. Die vier größten LEH (Spar, Rewe, Hofer, Lidl) weisen weiterhin gemeinsam einen Marktanteil von 91 % auf. Der LEH hat daher eine hohe Verhandlungsmacht gegenüber Lieferant:innen. Es konnte in der Untersuchung nicht festgestellt werden, dass die gegebene Marktkonzentration sich kausal auf die Preisanstiege auswirkte. Hierfür waren andere Kriterien stärker in der Verantwortung (siehe dazu weiter unten). Allerdings sind mit einer derart hohen Marktkonzentration in der Regel strukturelle wettbewerbliche Probleme wie bspw. erhöhte Kollusionsgefahren zwischen Konkurrenten und Markteintrittsbarrieren verbunden. Die Markteintrittsbarrieren für neue LEH werden als sehr hoch eingestuft (Bsp.: hohe Investitionskosten, Übersättigung aufgrund Filialdichte). Zum Beispiel sind seit 2019 mehr als 200 Nahversorger:innen aus dem Markt ausgetreten. Die Top vier des österreichischen LEH konnten ihr Filialnetz weiter ausbauen.

WETTBEWERBSSITUATION FÜR KONSUMENT:INNEN

  • Intensiverer Wettbewerb unterstützt einkommensschwache Konsument:innen überproportional

In Bezug auf das Haushaltseinkommen der Konsument:innen wirkt die inflationäre Preisentwicklung bei Lebensmitteln sozial unterschiedlich. Gerade Haushalte mit geringerem Einkommen würden von stärkeren Wettbewerb und dadurch günstigeren Lebensmittelpreisen überproportional profitieren

  • Preisvergleichsplattformen könnten Transparenzlücke für Konsument:innen schließen

Für Konsument:innen können Preisvergleichsplattformen ein gutes Instrument darstellen um sich rasch eine Preis- und Angebotsübersicht zu verschaffen. Zu diesem Thema hat die BWB bereits im September 2023 einen Fokusbericht vorgestellt (Pressemitteilung vom 15.09.2023) Dieser enthält vier Punkte zur Stärkung der Preistransparenz für Konsument:innen. Im Fokus der BWB-Vorschläge steht ein schneller, unbürokratischer und dezentraler Datenzugriff für Preisvergleichsplattformen.

  • Verbraucher:innenschutz bei Verpackungsreduktionen im Hinblick auf Menge und Qualität verbesserungswürdig

Konsument:innen haben in der Befragung angegeben, dass sie den Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht sehen, transparent über „Shrinkflation und Skimpflation“-Aktionen zu informieren. Shrinkflation bedeutet, dass es bei gleichen Packungspreisen zur Verkleinerung der Packungsgrößen oder dem Abfüllen einer geringeren Menge kommt. Unter Skimpflation versteht man eine versteckte Qualitätssenkung in der Produktion bei gleichem oder ähnlichen Preis und Menge. Beides stellen versteckte Preiserhöhungen dar.

„ÖSTERREICH PREISAUFSCHLAG“

  • Die Untersuchung ergab, dass die Lebensmittelindustrie mit besonderem Anreiz für internationale Konzerne für gleiche Produkte entsprechend ihren Länderstrategien teilweise unterschiedliche Preise verrechnen. Diese Strategien können ein wesentlicher Faktor für unterschiedliche Lebensmittelpreise und damit höhere Preise in Österreich sein. Die Thematik des Österreichaufschlags geht über die nationale Ebene hinaus, da es sich im Wesentlichen um eine EU-Binnenmarkt Thematik handelt. Die BWB wird den Sachverhalt an die Europäische Kommission rasch übermitteln.

UNFAIRE HANDELSPRAKTIKEN

  • Lieferanten von unlauteren Handelspraktiken betroffen - Erhöhte Priorität für BWB

Eine nicht unbeachtliche Anzahl von Lieferant:innen gab in einer der Befragungen an, von unlauteren Handelspraktiken betroffen zu sein. So waren Lieferant:innen bspw. konfrontiert mit

  • einseitigen Vertragsänderungen (14,3%)
  • Zahlungen ohne eine Verbindung zu Lieferungen (13,6%)
  • und Zahlungen für unverschuldeten Qualitätsverlust (13,4%).

Die BWB wird als zuständige Durchsetzungsbehörde iSd des Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (seit Jänner 2022 in Kraft), die Bekämpfung solcher unlauteren Handelspraktiken mit hoher Priorität verfolgen. Weiters wird eine Verschärfung des Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetzes angeregt.

PREISANSTIEGE, GEWINNMARGEN UND HANDELSSPANNEN IM LEBENSMITTELHANDEL

  • Starke Preisanstiege in unterschiedlichen Produktgruppen

Die Untersuchung ergab, dass keine Produktgruppe von Preisanstiegen verschont geblieben ist. Insbesondere waren Butter, Margarine und Mischfette davon stärker betroffen. Verkaufspreise von Eigenmarkenprodukte sind vergleichsweise stärker gestiegen als Verkaufspreise von Markenprodukten.

  • Gewinnmargen und Handelsspannen von LEH stiegen nicht an

Die Handelsspannen und somit die Erträge für die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels stiegen vom 2. Halbjahr 2022 bis 2. Halbjahr 2023 nicht systematisch an. Insgesamt gibt es keine Hinweise dafür, dass vor dem Hintergrund steigender und hoher Inflation versucht worden wäre im Untersuchungszeitraum die Handelsspannen zu vergrößern.

  • Große Hersteller:innen - Hohe Marktanteile - Unterschiedliche Entwicklungen bei Gewinnmargen

In unterschiedlichen Produktgruppen weisen Hersteller:innen hohe Gesamtmarktanteile auf. So halten die drei größten Hersteller:innen bei löslichen Bohnenkaffee im Jahr 2022 einen gemeinsamen Marktanteil von knapp 84%. Bei Kartoffelsnacks und Suppen zeigt sich ein ähnliches Bild.

Besonders international tätige Hersteller:innen konnten ihre Gewinnmargen in einzelnen Produktgruppen im Beobachtungszeitraum deutlich steigern (z.B. Butter, Margarine, Mischfette, rund + 7%). In anderen Produktgruppen kam es aber auch zu massiven Einbrüchen der Gewinnmargen (z.B. Naturjoghurt -11%). Die Entwicklung der Gewinnmargen war in der Lebensmittelindustrie stark von der jeweiligen Produktgruppe abhängig

LANDWIRTSCHAFT UND LANDWIRTSCHAFTLICHE VORLEISTUNGSMÄRKTE

Steigende Konzentration aufgrund von Marktaustritten - Produktionskosten aber auch Rentabilität stiegen an

Die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe geht seit Jahren zurück, womit die Konzentration steigt. Im Vergleich zum Jahr 2010 sank die Anzahl dieser Betriebe um 21%.

Landwirtschaftliche Betriebe sind stark von internationalen Preisentwicklungen in den Verhandlungen über Preise abhängig. Die steigenden Energiepreise führten zu erheblichen Mehrkosten. Trotzdem konnten landwirtschaftliche Betriebe ihre Rentabilität überwiegend steigern.

ONLINEHANEL IM LEBENSMITTELBEREICH

Online-Lebensmitteleinzelhandel: Bedeutung steigt

Aktuell ist die Bedeutung des Online-Lebensmitteleinzelhandels noch als gering einzustufen, wobei der Anteil von 0,3% im Jahr 2019 auf ca. 1 % im Jahr 2022 angestiegen ist.

Das Entwicklungspotential für den Online Lebensmitteleinzelhandel wird anhand der Analyse als „sehr hoch“ eingestuft. Von den EUR 216 Mio. Umsatz im Online-Lebensmitteleinzelhandel werden etwa 67% (entspricht EUR 144 Mio.) in Wien erwirtschaftet, also fast sieben von zehn Euro.

EMPFEHLUNGEN DER BUNDESWETTBEWERBSBEHÖRDE

Die BWB hat anhand der Analysen Empfehlungen definiert, welche sich positiv auf den Wettbewerb im Lebensmittelmarkt und damit auf die Konsument:innen auswirken können:

  1. Umsetzung der von der BWB im „Fokuspapier Preisvergleichsplattformen“ empfohlenen Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz für Konsument:innen im LEH.
  2. Stärkung des Binnenmarkts und Befassung der Europäischen Kommission hinsichtlich unterschiedlicher Einkaufspreise in den EU-Mitgliedstaaten aufgrund von Länderstrategien von Lebensmittelkonzernen
  3. Verbesserung der Transparenz bei Lebensmitteln
  4. Aufwertung und Stärkung des Verbraucher:innenschutzes
  5. Keine Irreführung bei Preisnachlässen
  6. Marktuntersuchungen aufgrund des FWBG
  7. Rechtssicherheit für Lieferant:innen durch Schriftform
  8. Kein Druck zur Zustimmung zu Praktiken des Anhangs II zum FWBG
  9. Verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen

Allfällige Stellungnahmen und Überlegungen zu vorliegendem Bericht können Sie gerne an wettbewerb(at)bwb.gv.at übermitteln.

Branchenuntersuchung Lebensmittel

Branchenuntersuchung Lebensmittel Konsument:innenbefragung

Branchenutersuchung Lebensmittel Executive Summary

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