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Hausdurchsuchungen rechtmäßig

Der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht hat mit Beschluss vom 09.11.2011 (zu 16 Ok 7 bis 13/11 sowie zu 16 Ok 5/11) weitere Leitentscheidungen zur Anordnung und Durchführung von Hausdurchsuchungen getroffen. Die Entscheidungen bestätigen die bisherige Praxis der BWB (Bundeswettbewerbsbehörde) und schaffen auch Klarheit für betroffene Unternehmen.

Die wichtigsten Aussagen (im Originalwortlaut):

  • "Dass im Rahmen von Hausdurchsuchungen bei anderen Unternehmen auch Unterlagen sichergestellt wurden, die die Achtantragsgegnerin (Anm.: ein drittes Unternehmen) betreffen, ist nicht unzulässig…, dient die HD bei einem Unternehmen doch allgemein zur Erlangung einschlägiger Beweismittel und nicht nur solcher gegen das jeweilige Unternehmen."
     

"Hausdurchsuchungen können sich nicht nur gegen die eines kartellrechtlichen Verstoßes verdächtigen Unternehmen, sondern auch gegen Dritte richten, bei denen … Unterlagen … aufgefunden werden könnten." (Seite 12)
 

  • "Gestattet der Betroffene die Maßnahme freiwillig, so liegt kein Eingriff vor. Diesfalls gelten die Einschränkungen des Kartellgesetzes nicht." (Seite 9)
    Anmerkung: Eines der Unternehmen hatte die Nachschau freiwillig erlaubt u sich nachher beschwert, dass die BWB nicht ausreichend belehrt und aufgeklärt hat.
     
  • "Nichtigkeit [Anm.: eines HD-Befehles] läge … nur bei völligem Fehlen einer Begründung vor. Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein."
    Anm.: Ein Unternehmen hatte behauptet, dass das Kartellgericht (1. Instanz) keine Begründung für die Erlassung der HD-Befehle geliefert hätte.
     
  • "Selbst wenn bereits Beweise oder Indizien für Zuwiderhandlungen vorliegen, sind die Behörden berechtigt, zusätzliche Beweise zu erheben und Auskünfte einzuholen, die es ermöglichen, das Ausmaß der Zuwiderhandlung, deren Dauer oder den Kreis der daran beteiligten Unternehmen genauer zu bestimmen."
     
  • "Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Hausdurchsuchung auch nach Informationsquellen gesucht werden darf, die noch nicht bekannt sind."
     
  • "Ermittlungen sind aber nicht auf Tatsachen beschränkt, die unmittelbar die Tatbestandsvoraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes betreffen, sondern umfassen auch Informationen über den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, in dem der Verfahrensgegenstand beurteilt werden muss."
     
  • "Innerhalb der der Bundeswettbewerbsbehörde zustehenden Ermittlungsbefugnisse trifft das Wettbewerbsgesetz keine hierarchische Ordnung… (16 Ok 5/11 mwN)."
    Anm.: Unternehmen/Anwälte haben wiederholt fälschlich behauptet, dass die BWB zuerst gelindere Mittel (z.B. Auskunftsverlangen etc.) anwenden müsse.

    "Zweckmäßig ist eine Nachprüfung insbesondere dann, wenn aus Sicht der Behörde Verdunkelungsgefahr besteht."

    "Wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass ein Kartell trotz ausdrücklichen Verbotes fortgesetzt wird, ist regelmäßig die Besorgnis berechtigt, die Unternehmen versuchten Beweismittel zu unterdrücken … Aus diesem Grund kann in derartigen Fällen in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die Anordnung einer Hausdurchsuchung unverhältnismäßig ist."
     
  • "… kein Gebot einer Befristung des Hausdurchsuchungsbefehles."
     

Zur Kooperationspflicht der durchsuchten Unternehmen:
"Danach hat jedermann, wenn auf Datenträgern gespeicherte Informationen sichergestellt werden sollen, Zugang zu diesen Informationen zu gewähren und auf Verlangen einen elektronischen Datenträger in einem allgemein gebräuchlichen Dateiformat auszufolgen oder herstellen zu lassen. Überdies hat er die Herstellung einer Sicherungskopie der auf den Datenträgern gespeicherten Informationen zu dulden."