Hintergrund
Am 2. September 2021 wurde bei der BWB ein Zusammenschluss (Z-5650) angemeldet, wonach METRO Cash & Carry Österreich GmbH („Metro“) in Übereinstimmung mit der REWE Group beabsichtigt, alleinige Kontrolle über die C & C Abholgroßmärkte Gesellschaft m.b.H. („AGM“) zu erwerben.
Vom Zusammenschlussvorhaben sind neun (9) AGM-Großhandelsmärkte betroffen, nämlich an den Standorten Bludenz, Graz, Hartberg, Klagenfurt, Liezen, Neusiedl, Spittal an der Drau, St. Pölten und Wiener Neustadt.
Marktabgrenzung
Ausgangspunkt für die Prüfung des Zusammenschlusses war die umfassende Prüfung des Lebensmittelgroßhandel („LGH“) im Jahr 2011 und der im selben Jahr veröffentlichte Standpunkt der BWB zum LGH auf Basis der Entscheidung Z-1387 (Pfeiffer/Nussbaumer):
Sachlich wird hiernach in die Marktsegmente „Abholgroßhandel“ (Kleinkunden) und „Zustellgroßhandel (Großkunden)“ unterteilt.
Räumlich werden Einzugsgebiete um den jeweiligen Standort abgegrenzt, die für den Abholgroßhandel 30km (Straßenkilometer) und für den Zustellgroßhandel 100km (Straßenkilometer) umfassen. Die BWB hat in der Marktuntersuchung und Analyse keine überzeugenden Gründe gefunden von dem Standpunkt abzurücken.
Seitens der Anmelder wurde eine sachliche und räumliche Marktabgrenzung vorgebracht, die sich von dem Standpunkt aus 2011 in jeder Hinsicht grundlegend unterschied. Die vorgebrachte alternative Marktabgrenzung sieht die BWB als für die Prüfung des Zusammenschlusses nicht relevant an.
Umfangreiche Marktuntersuchung durch die BWB
Um den Markt besser darstellen zu können, führte die BWB eine umfangreiche Marktuntersuchung durch (siehe dazu auch die Pressemitteilung der BWB vom 02.09.2021).
Hierbei kam ein innovatives Online-Marktbefragungs- und Auswertungstool zum Einsatz, welches eine gleichzeitige Befragung einer hohen Zahl von Kunden und Wettbewerbern ermöglichte.
Die Marktbefragung wurde zweigeteilt ausgeführt:
- Im ersten Auskunftsverlangen wurden 65 Fragen an rund zehn Vollsortimenter-Wettbewerber von Metro und AGM gestellt. Die Wettbewerber äußerten überwiegend starke Bedenken.
- Das zweite Auskunftsverlangen mit bis zu 87 Fragen (die Fragen reagierten logisch auf bisherige Antworten und lagen in Summe faktisch für jeden Kunden darunter) ging an rund 1.200 große und kleine Kunden. Der Rücklauf mit über 400 Antworten war aus Sicht der BWB sehr hoch und zeigt das Interesse aus dem Markt. Die Bedenken der Kunden unterschieden sich je nach Standort.
Die Marktbefragung ergänzt, dass hinzukommend zu Marktanteilen über der Marktbeherrschungsvermutung die beiden Zusammenschlusswerber als enge Wettbewerber wahrgenommen werden (Closeness of Competition). Losgelöst von der Frage der Marktabgrenzung gibt es jedenfalls eine nennenswerte Gruppe an Abholkunden (nach Standpunkt der BWB ein eigener relevanter Markt), welche in besonderer Weise vom Zusammenschluss betroffen wäre.
Wettbewerbliche Bedenken
Die Ergebnisse der Marktbefragung sowie Stellungnahmen und Gespräche mit Wettbewerbern und Kunden ergaben, dass die auf Basis des Standpunktes aus 2011 aufgekommenen Bedenken hinsichtlich hoher Marktanteile der Zusammenschlusswerber weiter bestehen bleiben.
Wird dem Standpunkt der BWB gefolgt, so ist bei sämtlichen AGM-Standorten die Marktbeherrschungsvermutung mit signifikanten Zuwächsen erfüllt. Selbst wenn man annehmen würde, dass Zustell- und Abholgroßhandel einen gemeinsamen Markt bilden, gäbe es eine Reihe von regionalen Märkten mit wettbewerbliche Bedenken.
Die Regionen mit den größten Bedenken sind:
1. AGM Klagenfurt / AGM Graz;
2. AGM Wr. Neustadt / AGM St. Pölten; und
3. Vorarlberg / AGM Bludenz.
Wegen der hohen Konzentration in den österreichischen Lebensmittelmärkten bestehen zudem überregionale Bedenken durch
4. zukünftige schrittweise externe Marktanteilszuwächse („Salamitaktik“) und
5. den möglichen Wegfall regionaler Diversität im Sortiment und lokaler Wertschöpfung durch globale Einkaufsstrategien. Bei einer Übernahme von Standorten soll die zukünftige regionale Versorgung und die lokale Wertschöpfung durch die Mitarbeiter in der Region gesichert sein (etwa Versorgungssicherung).
Die kritischen Rückmeldungen und wettbewerblichen Bedenken wurden den Anmeldern zur Stellungnahme übermittelt. Die Stellungnahmen konnten die Bedenken der BWB jedoch ebenfalls nicht ausräumen. Die Anmelder haben keine Maßnahmen angeboten, um die bestehenden Bedenken der BWB auszuräumen. Im Ergebnis ist der Zusammenschluss nach Auffassung der BWB in seiner derzeitigen Form nicht freigabefähig. Die BWB wird daher vor Ablauf der Frist von Phase I einen Prüfungsantrag an das Kartellgericht stellen.