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Kartellobergericht (OGH) bestätigt Verstoß gegen Marktmachtmissbrauch durch Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Neuwagenvertrieb und Werkstättenbetrieb

Im Oktober 2018 stellte das Unternehmen Büchl GmbH („Büchl“) beim Kartellgericht gegen das Unternehmen Peugeot Austria Gesellschaft m.b.H. („Peugeot“) einen Antrag auf Abstellung wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung.

Büchl und Peugeot stehen im Bereich Neuwagenvertrieb und Werkstättenbetrieb in einem Vertragsverhältnis zueinander, mit dem Büchl das nicht-exklusive Recht durch Peugeot eingeräumt wurde, Peugeot-Personenkraftfahrzeuge und leichte Nutzfahrzeuge bis 3,5 t sowie die dazugehörige Ausstattung zu vertreiben, Service- und Reparaturdienstleistungen für diese Peugeot Produkte zu erbringen und einen Kundendienst sicherzustellen.

Stellungnahme der BWB in dem Verfahren vor dem Kartellgericht

In dem Gerichtsverfahren gab die BWB zur gegebenen Marktbeherrschung, insbesondere zur vorhandenen relativen Marktmacht (§ 4 Abs 3 KartG) sowie zu den potentiell missbräuchlichen Verhaltensweisen eine Stellungnahme ab.

Aufgrund vorausgegangener regelmäßiger Beschwerden veröffentlichte die BWB bereits im Jahr 2016 ein Positionspapier zur Beurteilung dieser Sachverhalte im KFZ Bereich. Das Ziel war es eine Übersicht insbesondere über unerlaubte marktmachtmissbräuchlichen Praktiken zu geben sowie den gültigen Rechtsrahmen betreffend die wiederkehrenden, problematischen Sachverhalte für die in der KFZ Branche agierenden Unternehmen zu erklären.

Das Kartellgericht entschied im Mai 2020, dass Peugeot gegen das Verbot des Marktmachtmissbrauches in mehreren Punkten verstoßen hatte und trug Peugeot auf, die praktizierten Handlungsweisen einzustellen.

Gegen diese Entscheidung des Kartellgerichts erhob Peugeot einen Rekurs an den OGH als Kartellobergericht.

Entscheidung des Kartellobergerichts

Das Kartellobergericht entschied im Februar 2021 über den Rekurs und gab diesem teilweise Folge, wobei die wesentlichen Punkte der Entscheidung des Kartellgerichts bestätigt wurden.

Peugeot wurde mit dem rechtskräftigen Teil der Entscheidung verpflichtet innerhalb von drei Monaten den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung in folgenden Punkten abzustellen:

Im Neuwagenvertrieb durch Abstellung

  • der Koppelung von Prämienzahlungen mit dem bestehenden und tatsächlich praktizierten System der Kundenzufriedenheitsumfragen;
  • der Spannenreduktionen durch Vorgabe bewusst überhöhter Verkaufsziele mittels Erhöhung des Zielwerts in einem über die allgemeine Schätzung der Absatzentwicklung hinausgehenden Ausmaß trotz Herabsetzung der Verkaufsziele für Vorjahre im vertraglich vorgesehenen Sachverständigen-Schiedsverfahren;
  • der Praktizierung missbräuchlich niedriger Abgabepreise am Endkundenmarkt durch im wirtschaftlichen Mehrheitseigentum der Antragsgegnerin stehende Händlerbetriebe, insbesondere, wenn deren Verluste von der Antragsgegnerin abgedeckt werden, während die Antragsgegnerin gleichzeitig gegenüber der Antragstellerin Preise verrechnet und Rabattkonditionen gewährt, die es der Antragstellerin unmöglich machen, diese niedrigen Endkundenpreise einzustellen.

Im Werkstättenbetrieb durch Abstellung

  • der Verpflichtung zur Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsarbeiten mit von der Antragsgegnerin gestellten Bedingungen, insbesondere einem auch für die Antragstellerin aufwändigen Kontrollsystem, die diese Arbeiten für die Antragstellerin wirtschaftlich unrentabel machen;
  • der Abwicklung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen mit nicht kostendeckenden Stundensätzen sowie nicht kostendeckenden Refundierungen bei Ersatzteilen;

Im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich durch Abstellung

  • der Überwälzung der Kosten für Mystery Shopping, Mystery Leads und Standardkriterien-Audits auf die Antragstellerin, insbesondere durch die kalkulatorische Einbeziehung dieser Kosten in die Schulungspauschale.

Das weitere Mehrbegehren zur Abstellung von marktmissbräuchlichen Verhalten wurde in folgenden Punkten bereits vom Kartellgericht abgewiesen:

  • die Forderung unangemessener Corporate Identity Investitionen auf Kosten der Antragstellerin im Neuwagenvertrieb;
  • der Praktizierung unverhältnismäßig hoher Preise für Test- und Diagnosegeräte, die für die Durchführung von Garantie- und Gewährleistungsaufträgen notwendig sind, und die Vorschreibung einer Jahresgebühr für den Zugang zu technischen Dokumentationen im Werkstättenbetrieb;
  • die Benachteiligung der Antragstellerin durch die Ausübung von wirtschaftlichem Druck, möglichst wenige Garantiefälle zu bearbeiten;
  • die allgemeine Forderung nach Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder nach sonstigen Geschäftsbedingungen, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden;
  • die Einhebung einer unverhältnismäßig hohen Schulungspauschale im Neuwagenvertrieb und im Werkstättenbereich

Zu den wesentlichen Punkten hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung

Relative Marktmacht

Das Kartellobergericht ging wie das Kartellgericht von einer vorhandenen relativen Marktmacht von Peugeot aus. Wesentlich hierfür ist das Bestehen von Ausweichmöglichkeiten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen. Es ist im Anlassfall nicht entscheidend ob es sich um einen einheitlichen Markt oder um getrennte Märkte für Neuwagen und Serviceleistungen handelt da Büchl in beiden Bereichen wirtschaftlich auf die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit Peugeot angewiesen ist.

Konditionenmissbrauch

Zum Vorliegen eines Konditionenmissbrauchs knüpfte das KOG an die ständige Rechtsprechung an, wonach dieser bei offensichtlich unbilligen Konditionen bzw einem offensichtlichen Missverhältnis der Kosten der Leistungserbringung vorliegt. Betont wird weiters das Erfordernis der Interessensabwägung, orientiert am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Verboten ist die Verfolgung an sich legitimer Ziele mit unlauteren Mitteln sowie ein Eingriff in die Handlungsfreiheit des Vertragspartners in mehr als dem erforderlichen Ausmaß. Eine übermäßige Bindung liegt auch vor, wenn diese einzig oder ganz überwiegend im einseitigen Interesse des Marktbeherrschers besteht.

Einschränkung der Preissetzungsfreiheit

Bezüglich der vom Kartellgericht festgestellten Einschränkung der Preissetzungsfreiheit durch Zwang zur Teilnahme an Aktionen des Herstellers sah das Kartellobergericht die Sachverhaltsgrundlage zur abschließenden Beurteilung der Missbräuchlichkeit als unzureichend an und hob diesen Spruchpunkt verbunden mit der Zurückverweisung zur Sachverhaltsergänzung auf.

GZ: OGH 17.02.2021, 16Ok4/20d