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BWB veröffentlicht Endbericht zur Branchenuntersuchung im Taxi- und Mietwagenmarkt

Im September 2019 startete die BWB eine umfassende Branchenuntersuchung im Taxi- und Mietwagenmarkt. Die BWB kann eine Branchenuntersuchung einleiten, wenn die Vermutung besteht, dass der Wettbewerb in einem Wirtschaftszweig eingeschränkt oder verfälscht ist.

Durch die Erneuerung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes werden für den Taxi und Mietwagenmarkt einheitliche Regeln eingeführt, die sich auch auf Online-Vermittlungsdienste (Bolt, FreeNow, Holmi, Uber etc.) auswirken. In Österreich arbeiten die Online-Vermittlungsdienste ausschließlich mit Mietwagenunternehmen zusammen und beschäftigen daher direkt keine Fahrer*innen. Die Intention des Gesetzgebers ist es, den Taxi- und Mietwagengewerbe zu einem einheitlichen Personenbeförderungsgewerbe zu verbinden.

Ergebnisse der Branchenuntersuchung

Die Ergebnisse werden im Endbericht auf 100 Seiten dargestellt. Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung sind:

  • Innovation wird gebremst. Die Zusammenlegung des Taxi- und Mietwagen zu einem einheitlichen Personenbeförderungsgewerbe bedeutet nichts anderes, als die gesetzliche Festlegung des ursprünglichen Taxigewerbes als alleiniges Geschäftsmodell zu etablieren. Diese Umsetzung verhindert die Entwicklung von neuen und innovativen Geschäftsmodellen und hemmt den Wettbewerb.
     
  • Fixe Tarifpflicht und Marktaustritte. Derzeit ist noch unklar, ob ein fixer Taxitarif gesetzlich verankert wird. Bei einem fixen Tarif kann ein Preiswettbewerb nicht mehr stattfinden. Dies könnte zur Folge haben, dass neue Geschäftsmodelle wie bspw. App-basierte Online-Vermittlungsdienste den Markt wieder verlassen müssen.
     
  • Angebotsreduktion. Die Kundenumfrage hat ergeben, dass 40 % eine Präferenz für neue Geschäftsmodelle haben. Somit gibt es ein Interesse für neue innovative Geschäftsmodelle im Markt für das Personenbeförderungsgewerbe. Durch die neuen Regelungen wird die Angebotsauswahl für Kunden und Kundinnen minimiert.
     
  • Entfall von Qualitäts- und Preiswettbewerb. Der große Vorteil von Online-Vermittlungsdiensten besteht in der Preistransparenz und dem vergleichsweise geringeren Beförderungskosten für Konsumenten und Konsumentinnen. 95 % der befragten Konsumenten und Konsumentinnen erachten Preistransparenz als wichtig. Durch die mögliche Einführung eines fixen Tarifs entfällt nicht nur diese Preistransparenz, sondern wird der gesamte Preiswettbewerb in einer Branche beseitigt. Ein Anstieg der Preise bei Verordnung eines fixen Tarifs scheint wahrscheinlich. Mangels Preiswettbewerbs werden wohl auch nur noch sehr geringe Anreize an einem entsprechenden Qualitätswettbewerb bestehen.
     
  • Arbeitsplatzverluste. Mit den neuen Regeln müssen Mietwagenfahrer*innen einen Taxi-Ausweis beantragen und eine Prüfung ablegen. Aufgrund der vorhandenen Prüfungskapazitäten wird es ihnen praktisch unmöglich gemacht, die Prüfung zeitgerecht absolvieren zu können. Diese Angebotsreduktion kann sich etwa durch längere Wartezeiten ebenfalls negativ auf die Qualität der Beförderungsleistung und somit auf die Konsumenten und Konsumentinnen auswirken.
     
  • Liberalisierung der Tarife – EU Vergleich. Laut ökonomischer Literatur sind Taximärke generell zu stark reguliert. Preisregulierungen können zwar gerechtfertigt sein; allerdings weisen fixe Tarife für den Markt eher negative Effekte auf. Österreich und Deutschland sind die einzigen EU Länder mit fix regulierten Tarifen. Die generelle Tendenz geht in Richtung Deregulierung in den Taximärkten. In Ländern wie Schweden, Norwegen und Irland wurden die Preise, quantitative Limits oder beides dereguliert. Die Mehrheit der Länder verfügen über einen Maximaltarif, welcher einen gewissen Preiswettbewerb zulässt.
     
  • Vorteile beider Gewerbe bleiben nicht erhalten. Der Intention des Gesetzgebers, die Vorteile der beiden Gewerbe zu erhalten, wird nicht entsprochen. Das Gesetz berücksichtigt die unterschiedlichen Geschäftsmodelle und Charakteristika der Taxi- und Online Vermittlungsleistungen wie etwa die dynamische Preisgestaltung, Preistransparenz, einfache Buchungs-, Bezahl- und Bewertungssysteme ungenügend.

Die Branchenuntersuchung zeigt im Personenbeförderungsmarkt ein sehr ernüchterndes Ergebnis und stellt keine gute Prognose für den Wettbewerb dar. Das neue Gelegenheitsverkehrsgesetz wirkt innovationsfeindlich und macht es neuen Geschäftsmodellen schwer im Markt für Taxifahrten bestehen zu bleiben. Regulierung hat die Aufgabe Probleme zu lösen und nicht welche zu schaffen. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen mit der neuen Regulierung im Markt nicht überleben werden und somit Arbeitsplätze wegfallen, sollte ein fixer Tarif gesetzlich verankert werden. Für die Konsument*innen bedeutet es, dass die Angebotsauswahl deutlich eingeschränkt wird“, erklärt Dr. Theodor Thanner, Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde.

Umfang der Branchenuntersuchung

Um die Auswirkungen des neuen Gelegenheitsverkehrsgesetzes auf den Wettbewerb und die Innovation im Taxi- und Mietwagenmarkt einschätzen zu können, hat die BWB:

eine Kundenumfrage zur Nutzung von Taxi und Online-Vermittlungsdiensten durchgeführt

  • Es wurden insgesamt 1243 Personen mittels Online-Interview zu ihrem Nutzungsverhalten befragt.
  • Die Kunden und Kundinnen wurden insbesondere nach Ihren Präferenzen der Vermittlungsform, der Einschätzbarkeit der Fahrkosten und zu den Produkteigenschaften befragt.

173 Auskunftsverlangen versendet und analysiert – Antwortquote wenig zufriedenstellend

  • Es wurden 173 Auskunftsverlangen an Taxi- und Mietwagenunternehmen und Fahrtenvermittler versendet. Unter Fahrtenvermittler sind die klassischen Taxifunkzentralen (Taxi 40 100 oder Taxi 31 300) und App-basierte Vermittlungsdienste (Bolt, Holmi, Uber) zu verstehen.
  • Es wurden Unternehmen mit mehr als 25 konzessionierten Fahrzeugen sowie Einzelunternehmer befragt.
  • Die Antwortquote der Auskunftsverlangen war nur wenig zufriedenstellend und lag bei 30 %. Dies ist im Vergleich zu anderen durchgeführten Branchenuntersuchungen ein sehr geringer Wert. Eine Taxifunkzentrale verweigerte die Kooperation zur Gänze und beantwortete das Auskunftsverlangen nicht.
  • Generell haben die Online-Vermittlungsdienste mehr Kooperationsbereitschaft als die traditionellen Taxiunternehmen gezeigt und fundierte Daten zu Verfügung gestellt.

die Marktbedingungen des Taxi- und Mietwagenmarktes durchleuchtet

  • Der Endbericht gibt einen vertieften Einblick in die Marktmechanismen und beschreibt die Geschäftsmodelle der Taxiunternehmen und Online-Vermittlungsdienste.

die Regulierungen aus wettbewerbsökonomischer Sicht analysiert

  • Es wurden die Regulierungsvarianten in verschiedenen Ländern in Europa miteinander verglichen.
  • Die Branchenuntersuchung enthält ebenfalls eine detaillierte Analyse über mögliche Auswirkungen der Gesetzesänderungen auf den Wettbewerb und Innovationen.

Aktueller Stand zur Gesetzeslage:

Durch die Novellierung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes („GelverkG NEU), mit welcher der Gesetzgeber auf technische Neuerungen am Markt für Personenbeförderung reagieren wollte, wurden die vormals getrennt bestehenden Taxi- und Mietwagengewerbe zu einem einheitlichen Personenbeförderungsgewerbe zusammengefasst. Die wesentlichen Bestimmungen dieser Novelle treten mit 1. Jänner 2021 in Kraft.

Durch diese Neuregelung wurde auch eine Anpassung der weiteren diese Gewerbe betreffenden Betriebsordnungen auf Bundes- sowie Landesebene durch die jeweiligen Verordnungsgesetzgeber notwendig. Diese betreffen Regelungen über die Lenker hinsichtlich ihrer Ausbildung und Zuverlässigkeit (Bundesbetriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr) sowie die Qualifikation der Lenker und die Ausstattung der eingesetzten Fahrzeuge (Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung). Entsprechende Entwürfe zur Novellierung dieser Betriebsordnungen liegen mittlerweile vor. Mit einer zeitnahen Umsetzung dürfte aufgrund des nahenden Inkrafttretens des GelverkG NEU zu rechnen sein. Die Wiener Landes-BO wurde gegenüber der Europäischen Kommission notifiziert, die Stillhaltefrist endete am 21.09.2020.

Die Entwürfe zu den Betriebsordnungen scheinen dabei die bisherigen Taxiregelungen zu übernehmen und zeichnen die Einführung eines fixen Tarifs sowie weiterer Zutrittsschranken zum neuen Personenbeförderungsgewerbe vor, die vor allem Mietwagenfahrer*innen und Online-Vermittlungsdienste vor große Herausforderungen stellen werden. Die genaue Ausgestaltung der (Wiener) Tarifordnung ist noch offen. Mit einer Neuregelung ist noch dieses Jahr zu rechnen, um diese - bisher nur für das Taxigewerbe geltende Verordnung - auf das neue Personenbeförderungsgewerbe anwendbar zu machen. Ausgehend von den angedachten rechtlichen Rahmenbedingungen scheint eine Aufrechterhaltung der innovativen Geschäftsmodelle von Online-Vermittlungsdiensten jedenfalls nicht gewährleistet.

Branchenuntersuchung Taxi- und Mietwagengewerbe: eine Bestandsaufnahme