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BWB legt Entwurf für neuen Kronzeugenregelung-Leitfaden zur Konsultation vor

Die Aufdeckung von Kartellen durch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wird wesentlich durch Informationen von Unternehmen unterstützt. Weltweit gibt es mit Stand 2017 bisher 89 derartige wettbewerbsrechtliche Kronzeugenprogramme für Unternehmen. Die in Österreich seit 2006 existierende kartellrechtliche Kronzeugenregelung, die an einer kartellrechtswidrigen Vereinbarung beteiligten, aber ausstiegswilligen Unternehmen durch die Aussicht auf Geldbußenerlass/-minderung zusätzliche Anreize zur Kooperation mit der Behörde und Aufklärung des Sachverhaltes bietet, hat sich als unverzichtbares und erfolgreiches Instrument des nationalen Kartellrechtsvollzuges etabliert. In Österreich hat das kartellrechtliche Kronzeugenprogramm einen weiten Anwendungsbereich und umfasst sowohl horizontale als auch vertikale Verstöße, so dass für Unternehmen keine Unsicherheit über den Anwendungsbereich besteht. Seit seiner Einführung wurden im Rahmen des österreichischen Kronzeugenprogramms bis Ende 2021 115 Kronzeugenersuchen (inkl Kurzanträge) bei der BWB gestellt.

Die Zahl der Anträge bestätigen die erfolgreiche Praxis der BWB. Der neue Leitfaden zur Kronzeugenregelung soll diese im Sinne der Rechtssicherheit und Transparenz darlegen.“, so die interimistische Generaldirektorin Dr. Harsdorf-Borsch.

Bis zum KaWeRÄG 2021, waren lediglich die Eckpunkte dieser Regelung gesetzlich verankert, die nähere Praxis war in einem von der BWB zu veröffentlichenden Handbuch festgeschrieben. Mit dieser letzten Novelle des österreichischen Kartell- und Wettbewerbsrechts musste es in Umsetzung der Richtlinie 2019/1/EU (ECN+ RL) zu einer weitgehenden Verrechtlichung der Kronzeugenregelung kommen. Dies ist im Wesentlichen mit der Verordnung über die Anwendung der Kronzeugenregelung des Wettbewerbsgesetzes erfolgt. Ein Handbuch der BWB ist demgemäß nur mehr für einen Teilaspekt - nämlich "die technische Abwicklung und die Geldbußenreduktionen, die die BWB bei der Beantragung einer geminderten Geldbuße im Hinblick auf die Reihenfolge der ersuchenden Unternehmer oder Unternehmervereinigungen anzuwenden beabsichtigt" - zwingend vorgesehen und wurde bereits Ende Jänner 2022 veröffentlicht (vgl dazu die Pressemeldung der BWB vom 27.01.2022).

Da die für (potentielle) Kronzeugen relevanten Bestimmungen in verschiedenen Rechts- bzw Informationsquellen zu finden sind und sich überdies auch im Rahmen des Vollzugs der Kronzeugenregelung durch die BWB immer wieder praxisrelevante Fragestellungen ergeben, erscheint es der BWB im Sinne der Transparenz - auch ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung - weiterhin zielführend, ein Guidance-Dokument zu veröffentlichen, das einen möglichst umfassenden und informativen Überblick über alle Aspekte bietet, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung der Kronzeugenregelung ergeben

Der vorliegende Entwurf wird im Zuge dieser Konsultation einerseits den involvierten Institutionen und beteiligten Verkehrskreisen direkt zur Stellungnahme übermittelt und steht andererseits auch hier allen Interessierten zum Download zur Verfügung

Neben den Erläuterungen zu den inhaltlichen Voraussetzungen und den Verfahrensschritten betreffend die Inanspruchnahme des Entfalls bzw der Ermäßigung kartellrechtlicher Geldbußen thematisieren die Leitlinien auch die Berührungspunkte zu möglichen zivilrechtlichen (Ersatz des Kartellschadens) und strafrechtlichen Konsequenzen von Kartellverstößen. Bei letzterem Bereich geht es im Zusammenhang mit der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit der handelnden natürlichen Personen vor allem um das Zusammenspiel mit der (strafrechtlichen) Kronzeugenreglung des § 209b StPO. Hier spielt insbesondere die zweite Amtspartei, der Bundeskartellanwalt (siehe dazu https://www.justiz.gv.at/home/justiz/justizbehoerden/bundeskartellanwalt.36c.de.html) eine wichtige Rolle, mit welchem die BWB insbesondere auch im Zusammenhang mit Kronzeugen laufend eng zusammenarbeitet.

Der Leitfaden kann unter folgendem Link heruntergeladen werden:

Interessierte haben die Möglichkeit bis zum 06.06.2022, Feedback zum Leitfaden über das Postfach wettbewerb[at]bwb.gv.at an die BWB zu richten.