27 Kt 280/02 Deloitte & Touche/Auditor Treuhand
Empfehlung der Wettbewerbskommission vom 22. August 2002
Die Wettbewerbskommission empfiehlt einstimmig die Stellung eines Prüfungsantrages, da die Marktstrukturangaben sowie die Angaben zu den Umsätzen in der Anmeldung äußerst mangelhaft seien bzw. zu den Angaben auf der Homepage divergierten.
Die von den Anmeldern vorgenommene Marktabgrenzung sei problematisch, vor allem im Hinblick auf den Markt für Abschlussprüfungen, auf dem nach dem Bedarfsmarktkonzept zu differenzieren wäre zwischen Abschlussprüfung von börsennotierten Gesellschaften und KMUs. Insbesondere folgten die Anmelder nicht der Produktmarktdefinition der Europäischen Kommission.
Zusammenfassende Stellungnahme der Bundeswettbewerbsbehörde gem. § 17 Abs. 4 WettbG
Die Wettbewerbskommission empfahl am 22.08.2002 im Zusammenschlussfall Deloitte & Touche Wirtschaftstreuhand GmbH mit Auditor Treuhand GmbH einen Prüfungsantrag.
Es wurde vorgebracht, die Marktstrukturangaben sowie die Angaben zu den Umsätzen seien mangelhaft bzw. mit den Angaben auf der Homepage nicht übereinstimmend. Die Marktabgrenzung sei problematisch, da vor allem in Hinblick auf den Markt für Abschlussprüfungen zwischen Abschlussprüfung von börsenotierten Gesellschaften und Klein- und Mittelbetrieben unterschieden werde müsse. Auch folgten die Anmelder nicht der Produktmarktdefinition der Europäischen Kommission.
Bezüglich der divergierenden Anschauungen zum sachlich relevanten Markt wurde vorgebracht, die Marktabgrenzung sei unzutreffend vorgenommen worden, da es keinen einheitlichen Markt für den Bereich der Abschlussprüfung gebe. Dieser Markt teile sich in Produktmärkte für börsenotierte und große Gesellschaften und in Produktmärkte für Klein- und Mittelbetriebe. Auch sei ein selbständiger Buchhalter nicht wirklich durch große Wirtschaftstreuhändern substituierbar (bzw. umgekehrt).
Die Europäische Kommission habe in ihrer Entscheidung COMP/M.2810 festgestellt, dass von den 350 größten, börsenotierten Gesellschaften in Großbritannien 99 % von den „Big Four“ betreut werden.
In Österreich herrsche eine ähnliche Konzentration wie in Großbritannien, d.h. dass der Marktanteil der „Big Four“ bis zu 100 % betrage.
Dagegen brachten die Anmelder vor, die Marktsegmentierung in Österreich sei eine andere: Nicht alle börsenotierten Unternehmen zählten zu den großen. Viele große Unternehmen seien nicht an der Börse notiert; auch sei der Kapitalmarkt in Österreich nicht mit dem in Großbritannien vergleichbar.
Auch gebe es in Österreich weitaus mehr Alternativanbieter im Bereich der Wirtschaftsprüfung als in anderen Ländern ( wie z.B. in Großbritannien und Deutschland).
In Österreich herrsche eine mittelständische Unternehmensstruktur vor und gerade bei dieser sei ein Wechsel zu einem der „Big Four“ eher unwahrscheinlich, da die Unternehmen über Jahre hinweg von denselben Wirtschaftstreuhändern betreut würden.
Dem Bedarfsmarktkonzept folgend, gebe es nur eine Leistung (nämlich die „Abschlussprüfung“ als solche), wobei eine weitgehende Substituierbarkeit der Firmen und Anbieter gegeben sei.
Die Einteilung in Abschlussprüfung für Klein- und Mittelbetriebe und börsenotierte Unternehmen sei in Österreich nicht nachvollziehbar.
Die Auffassung der Bundeswettbewerbsbehörde:
- Es liegt ein anmeldebedürftiger Zusammenschluss gem. § 42 a KartG vor.
- Nach dem Bedarfsmarktkonzept müssen Produkte, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass ein durchschnittlicher Nachfrager sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfes geeignet betrachtet, als gegeneinander substituierbar angesehen werden. Es gibt nur eine Leistung („Abschlussprüfung“), und es herrscht weitgehende Substituierbarkeit. Das heißt, dass jedes Unternehmen seinen Wirtschaftsprüfer aussuchen kann.
- Selbst ausgehend davon, dass die Marktabgrenzung durch die Anmelder nicht richtig durchgeführt wurde, ändert sich durch den Zusammenschluss der Markt in Österreich nicht wesentlich: Diejenigen Unternehmen, die sich von einer der Großkanzleien beraten lassen, werden dies auch weiterhin tun; Klein- und Mittelbetriebe werden bei ihrem Wirtschaftstreuhänder bleiben. Nach der Höhe der Umsatzzahlen sieht die Reihung folgendermaßen aus: An erster Stelle wird weiterhin KPMG bleiben, an zweiter Stelle kommt nun Deloitte & Touche (mit Arthur Andersen), an dritter Ernst & Young und an vierter Stelle PriceWaterhouseCoopers.
Somit sind Arthur Andersen (von Platz 5) und Deloitte & Touche (von Platz 4) an die zweite Stelle vorgerückt.
- Auch rein volkswirtschaftlich betrachtet erscheint der Zusammenschluss gerechtfertigt: Nach Zerfall des Arthur Andersen - Netzwerkes sprangen viele Mitarbeiter ab und wechselten zu anderen großen Consultingfirmen oder gar zu ihren Klienten. In Österreich herrschte ein halbes Jahr lang Unsicherheit über den Weiterbestand des Unternehmens. Durch den Zusammenschluss werden Arbeitsplätze gerettet.
- In der Entscheidung der EU-Kommission COMP/M.2159 (Creditanstalt/ Lufthansa Airplus, Servicekarten/AUA Beteiligungen) wird – wie in vielen anderen - davon gesprochen, dass die Frage, ob es sich nun um einen oder mehrere Produktmärkte handelt, unbeantwortet bleiben kann, „ ... (wenn) der Zusammenschluss unter beiden möglichen alternativen Marktabgrenzungen zu keinen ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem gemeinsamen Markt führen würde“. Dies ist auch auf diesen Zusammenschluss in Österreich anwendbar.
Der Verhaltensspielraum von Deloitte & Touche mit Arthur Andersen wird durch eine Anzahl von Wettbewerbern am Gesamtmarkt hinreichend eingeschränkt.
Aufgrund dieser Überlegungen wird der Empfehlung der Wettbewerbskommission nicht entsprochen, und es wird kein Prüfungsantrag gestellt. Dies übrigens in Übereinstimmung mit dem Bundeskartellanwalt.