27 Kt 200/03 OMV/Avanti

Sachverhalt und Empfehlung der Wettbewerbskommission

 Die Wettbewerbskommission empfahl am 13. Mai 2003 zur Zusammenschlussanmeldung 24 Kt 142,174/03 (OMV/AVANTI) vom 24. April 2003 einen Prüfungsantrag. Dies mit der Begründung, dass " entgegen den Antragstellern hinsichtlich des räumlich relevanten Marktes für den Einzelhandel mit Kraftstoffen mit Sicherheit nicht auf das gesamte Bundesgebiet abgestellt werden kann, vielmehr regionale Teilmärkte auszugrenzen sein werden."

 Die Bundeswettbewerbsbehörde recherchierte und stellte, da eine vollständige Klärung nicht fristgerecht möglich war, am 26. Mai 2003 einen Antrag auf Prüfung des Zusammenschlusses vor dem Kartellgericht. Darin wurden folgende Punkte als zu klärende dargelegt: Abgrenzung nationaler/regionaler Markt; Preistrichterbildung. Durch Absatzmenge an Treibstoff nach dem Zusammenschluss auf etwaigem nationalen oder regionalem Markt Anteil der OMV von mind. 30 % ?

Nach Gesprächen mit den Anmeldern sowie einer umfangreichen Recherchetätigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde wurden diese Punkte geklärt. Die Anmelder zogen ihre Anmeldung zurück und brachten eine modifizierte neue Anmeldung ein.

Folgende Änderungen wurden durchgeführt: Zusage zur Erhaltung der Marke AVANTI auf dem österreichischen Markt für die Dauer von vier bis sechs Jahren; Aufteilung der Absatzmengen von Treibstoff für die OMV und ATBG (AVANTI) nach Regionen und sich daraus ergebende Prozentsätze.

Die Wettbewerbskommission empfahl auch für die modifizierte Anmeldung vom 12. Juni 2003 zu 27 Kt 200/03 das Stellen eines Prüfungsantrages, wobei sie sich auf die Begründung der ersten Empfehlung bezog und ergänzend meinte, dass "allein durch die Aufrechterhaltung der Marke "AVANTI" für einen bestimmten Zeitraum die Preistrichterfunktion, die AVANTI wohl besitzen dürfte, für die Zukunft nicht gewährleistet" sei.

Begründung der Bundeswettbewerbsbehörde für das Abweichen von der Empfehlung der Wettbewerbskommission

Die Bundeswettbewerbsbehörde folgte der Empfehlung der Wettbewerbskommission diesmal nicht:

1. Abgrenzung des geographisch relevanten Marktes:

Die Erhebungen der Bundeswettbewerbsbehörde bei Mitbewerbern haben ergeben, dass auch nach deren einhelliger (und von der BWB nachvollziehbarer) Auffassung zwar reger Wettbewerb in regionalen Teilmärkten herrsche, aber dennoch von einem nationalen Markt auszugehen sei.

Diese Sicht wird auch in einigen Entscheidungen der Europäischen Kommission - den Treibstoff- bzw. Tankstellenmarkt betreffend - sowie des Deutschen Bundeskartellamtes bestätigt. So wird in der Entscheidung Exxon/Mobil IV/M.1383 der Markt als ein zumindest nationaler (wenn nicht gar europaweiter) angesehen. Obwohl die Kommission die Frage der Abgrenzung des geographisch relevanten Marktes letzten Endes offen lässt, geht sie davon aus, dass es sich entweder um einen nationalen oder internationalen handelt. Ebenso geht sie im Fall Shell Uk/Gulf Oil IV/M.1013 von einem zumindest nationalen Markt aus. Auch hier lässt sie die Abgrenzungsfrage letzten Endes offen. Auch in ihrer Entscheidung Rheinbraun/OMV/Cokowi IV/M.1819 kam die Europäische Kommission zu dem Ergebnis, dass "sich im Tankstellenbereich Netze von Filialunternehmen überlappen, wobei zahlreiche wichtige Wettbewerbsparameter, wie Produktpalette, Gestaltung von Tankstellen, Werbung, Qualität, Dienstleistungsangebot, Verkaufsförderung und Preisgestaltung auf nationaler Ebene entschieden werden. Auch ist die Marktposition der einzelnen Unternehmen im Wesentlichen in einzelnen Regionen Österreichs ähnlich." Auch das Deutsche Bundeskartellamt kommt in seiner Entscheidung BP/Aral B-8-50500-U130/01 zu dem Schluss, dass es zwar regionale Teilmärkte geben könne, es aber im Ergebnis dahinzustellen sei, wie diese abzugrenzen seien, da " alle großen Anbieter Betreiber von bundesweiten Tankstellennetzen seien, deren Markenstrategie nicht nur auf örtliche und regionale Märkte, sondern auch und vor allem auf ihr Tankstellennetz insgesamt abzielt. Die Logistik, das Tankstellenkonzept, das Erscheinungsbild und die Marke sind auf das Gesamtnetz bezogen. Investitionsentscheidungen im Tankstellengeschäft sind immer auch aus der Sicht des Gesamtnetzes zu treffen."

2. Preistrichterbildung/Preistrichterfunktion AVANTIS:

Preistrichter sind aussagekräftig für die Dynamik des Marktes. Die Preistrichterbildung kann als eine wichtige Wettbewerbsstrategie der dominanten Firmengruppen gegenüber Diskonttankstellen angesehen werden. Versucht ein Diskonter mit Niedrigpreisen Marktanteile zu gewinnen, so senken auch die "Majors" in einem gewissen Umkreis ihre Preise (siehe auch Studie WIFO, "Der Kraftstoffmarkt in Österreich", 1999, Puwein/Wüger). Die Reaktion der "Majors", ebenfalls mit abgestuften Preissenkungen zu reagieren, soll den Anreiz für Diskonter, den Preiswettbewerb zu verschärfen, vermindern.

Bereits im Juni 2001 wurde im Endgutachten des Paritätischen Ausschusses zu 29 Kt 75/01 die Diskonteigenschaft von AVANTI angezweifelt, da der durchschnittliche Preisvorteil des Konsumenten anderen Markentankstellen gegenüber nur mehr wenige Groschen betrug. Der Bundeswettbewerbsbehörde vorliegende Auswertungen von Preisvergleichen, durchgeführt von ÖAMTC zwischen Markentankstellen und AVANTI, ergeben, dass auch im März und Mai 2003 die Preisunterschiede bloß marginal waren. Die Preisdifferenzen zu den "Majors" betrugen, je nach Treibstoffkategorie, im März 2003 bloß zwischen -0,5 % bis -1,2 % und im Mai 2003 zwischen -0,7 % und -0,9 %.

Man kann also davon ausgehen, dass AVANTI nicht ein Verursacher von Preistrichtern ist.

3. Marktanteile:

Ausgehend von einem nationalen Markt, liegen folgende Marktanteile vor (1):

BP Austria AG ca. 25 %, OMV ca. 21 %, Shell Austria ca. XX %, Esso Austria GmbH ca. XX %, Agip Austria AG ca. XX % und ATBG (Avanti) ca. 3 %.

Durch den Zusammenschluss rückt OMV mit ca. 24 % Marktanteil an den Marktführer BP heran.

Weder § 34 Abs. 1a Zif. 1 KartG (Anteil von 30 % am gesamten inländischen Markt), noch § 34 Abs. 1a Zif. 3 KartG (die vier größten Unternehmen haben vor dem Zusammenschluss einen gemeinsamen Anteil von ca. 71 % und danach von ca. 74 %) finden Anwendung.

1) XX = "anonymisiert"