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9. Competition Talk der BWB "Aktuelle kartellrechtliche Judikatur in der Praxis"

Am 25. Februar 2014 fand der 9. Competition Talk der BWB, zum ersten Mal in den Räumlichkeiten des Hotels Stefanie, zum Thema "Aktuelle kartellrechtliche Judikatur in der Praxis", statt.

9. Competition Talk zum Thema "Aktuelle kartellrechtliche Judikatur in der Praxis"

Unter der Moderation der seit kurzem ernannten stv. Geschäftsstellenleiterin Mag. Natalie Harsdorf, LL.M. diskutierten Dr. Georg Zanger, M.B.L.-HSG, RA und Dr. Luca Schicho, LL.M., BWB.

Umgang der BWB mit anonymen Anzeigen

Dr. Schicho referierte für das mehr als 60 Personen umfassende interessierte Publikum über das Judikat 16 Ok 7/13. Darin führt der OGH aus, dass auch der Inhalt einer anonymen Anzeige als eine die Durchsuchung von Orten rechtfertigende bestimmte Tatsache in Betracht komme, wobei diese selbstverständlich sorgfältig zu würdigen sei. In diesem Zusammenhang hob Dr. Schicho hervor, dass die BWB entsprechend dieser Judikatur ausschließlich substantiierte und schlüssige anonyme Anzeigen als Grundlage für weitere Ermittlungstätigkeiten der BWB heranziehe.

Zum Vorbringen, eine Hausdurchsuchung ("HD") bei einem Dritten wäre ebenso erfolgversprechend gewesen, wurde vom OGH klargestellt, dass es keine "Subsidiarität" von Hausdurchsuchungen gebe. Schicho verwies auf die bescheidenen Ressourcen der BWB, die es nicht möglich machen, bei allen Unternehmen zeitgleich HDs durchzuführen.

Zufallsfunde bei Hausdurchsuchungen

In der besprochenen Entscheidung 16 Ok 5/13 wurde die Frage des Umgangs der BWB mit Zufallsfunden während einer HD thematisiert. Dr. Schicho skizzierte die wesentlichen Entscheidungspunkte: Im gegenständlichen Fall beantragte die BWB eine Erweiterung des HD-Befehls aufgrund neu aufgetauchter Verdachtsmomente, welche von der BWB vor Ort mittels Aktenvermerk bescheinigt wurden. Es obliegt dem Ermessen der BWB, ob neue Verdachtsmomente im bereits anhängigen oder in einem neuen Verfahren aufgegriffen werden.

200 Mio.-€ Auftrag als Bagatellkartell

Dr. Zanger widerlegte mit seinem hervorragenden und humoristisch aufbereiteten Vortrag die oft gehörte Aussage: "Die Juristerei sei eine "trockene" Angelegenheit." In der ersten Entscheidung 16 Ok 6/12 geht es um einen 200 Mio. €- Auftrag von Installationsarbeiten durch die Stadt Wien. Dr. Zanger hob hervor, dass die Marktabgrenzung durch den Gutachter sowohl vom Erstgericht als auch vom OGH in keiner Weise als bedenklich gesehen wurde. Die Marktanteile lagen unter den Schwellenwerten des § 2 Abs 2 Z 1 KartG (Bagatellkartell). Auch Kernbeschränkungen ("Hardcore"-Kartelle) wurden bis zum KartÄndG 2012 von dieser Bestimmung umfasst.

Fazit laut Dr. Zanger: Der 200-Mio.-€ Auftrag wäre heute nach dem In-Kraft-Treten der Kartellrechtsnovelle 2012 nicht mehr als Bagatelle qualifiziert. In der anschließenden Diskussion über diese Entscheidung wurde die Frage erhoben, ob es nicht notwendig wäre eine 2. Tatsacheninstanz einzurichten.

In der anschließenden Diskussion wurde von an diesem Verfahren beteiligten Rechtsvertretern darauf verwiesen, dass die Frage des Vorliegens eines wettbewerbswidrigen Kartells seitens des Kartellgericht nicht geprüft worden ist, weil durch ein Sachverständigen-Gutachten vorab geklärt war, dass die Bagatell-Schwellenwerte des früheren § 2 Abs 2 Z 1 KartG unterschritten wurde und auch kein EU-Zwischenstaatlichkeitsbezug gegeben war.

Auch wurde die Frage erhoben, ob es nicht notwendig wäre eine 2. Tatsacheninstanz einzurichten. 

Wie sehr kann man sich auf die Entscheidung einer nationalen Behörde bzw. auf den Rat eines Rechtsanwaltes verlassen?

Im Anschluss legte Dr. Zanger die wesentlichen Punkte des Judikates 16 Ok 4/13 dar. Gemäß Art 5 VO (EG) Nr 1/2003 sind die nationalen Behörden zur Verfolgung und für die Anwendung des Art 101 und 102 AEUV zuständig. Unternehmen, die gegen Art 101 AEUV verstoßen, können trotz (falscher) Entscheidung einer nationalen Behörde und trotz eines (falschen) Rats eines Rechtsanwaltes Geldbußen erhalten. Bußgeldreduktionen könne es bei Vereinbarungen von Kernbeschränkungen nicht geben. Ein Milderungsgrund stelle lediglich die freiwillige Beendigung des Kartells dar.

Ausblick

Der nächste Competition Talk wird am 1. April 2014 zum Thema "Compliance & Kartellrecht Status quo - quo vadis?" stattfinden. Als Diskutanten konnten wir Prof. Dr. Theresia Theurl, Professorin für Volkswirtschaftslehre (lfG Münster), Mag. Karin Mair CFE, Deloitte Österreich, Partnerin & National Leader Forensic sowie Dr. Johannes Willheim, M.B.L.-HSG, LL.M., RA, gewinnen.

Da das Hotel Stefanie bei den Teilnehmern des Talks als Veranstaltungsort großen Zuspruch fand, wird der kommende Competition Talk wieder in dessen Räumlichkeiten abgehalten.

Einladung 9. Competition Talk

Entscheidung 16 Ok 6/12
Entscheidung 16 Ok 4/13
Entscheidung 16 Ok 5/13
Entscheidung 16 Ok 7/13