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17. Competition Talk der BWB "Wettbewerb und gesetzliche Krankenversicherungen - Ein natürliches Spannungsfeld?"

Am 30.06.2015 fand in den Räumlichkeiten des Hotels Stefanie der bereits 17. Competition Talk zum Thema "Wettbewerb und gesetzliche Krankenversicherungen - Ein natürliches Spannungsfeld?" statt.

​Wettbewerb und gesetzliche Krankenversicherungen - Ein natürliches Spannungsfeld?

Einleitung

Generaldirektor Dr. Thanner sprach zunächst die Eröffnungsworte und zitierte den US-Philosophen John Rawls, den in seinem Werk "A Theory of Justice" (Eine Theorie der Gerechtigkeit) Grundsätze der sozialen Gerechtigkeit beschäftigen, die es demnach zu finden gilt und die die Zuweisung von Rechten und Pflichten in den grundlegenden Institutionen der Gesellschaft ermöglichen sowie die richtige Verteilung der Früchte und Lasten der gesellschaftlichen Zusammenarbeit festlegen. Weiters nahm er Bezug auf Iustus Haucap, der ausführte, dass die gesetzlichen Krankenkassen dem allgemeinen Kartellrecht unterliegen sollen. Nach den einleitenden Worten übergab der Generaldirektor das Wort an Mag. Gerlinde Padlewski als Moderatorin, die daraufhin durch die Diskussion führte und darauf hinwies, dass es sich bei den gesetzlichen Krankenversicherungen um einen speziellen Markt handelt und die Verbindung von Theorie und Praxis eine wichtige Rolle spielt.

Impulsreferate

Der Erstredner, Generaldirektor Dr. Josef Probst, betonte eingangs, dass das Europäische Sozialstaatsmodell soziale Sicherheit gewährleistet und es zwei Möglichkeiten der Umsetzung dieses Modells gibt. In der ersten Variante wird der Staat unmittelbar tätig, in der zweiten erfolgt die Leistungserbringung im gesetzlichen Auftrag durch einen anderen Rechtsträger, wobei für die Sozialversicherung das Prinzip der Selbstverwaltung gilt. Danach erklärte GD Dr. Probst das in der Sozialversicherung vorherrschende Dreiecksverhältnis zwischen Versicherten, Sozialversicherung sowie Leistungserbringern. Kennzeichnend für das österreichische Sozialversicherungssystem ist ein System der Pflichtversicherung, in dem die Sozialversicherung Preise und Leistungen festlegt und die Leistungserbringer die Versorgung sicherzustellen haben. In weiterer Folge beschrieb Dr. Probst das Wesen des österreichischen Gesundheitssystems, in dem private Krankenanstalten neben öffentlichen Krankenhäusern bestehen und erwähnte auch die Transparenz-Richtlinie der Europäischen Union.

Der Zweitredner, em. o. Univ.-Prof. DDr. Heinz Mayer, thematisierte den Sozialversicherungsträger als Unternehmer im Lichte der EuGH-Rechtsprechung. Grundsätzlich kann im Sinne eines funktionalen Unternehmensbegriffes theoretisch jede Einrichtung Unternehmer sein, wobei die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten eine solche grundsätzlich ausschließt. Die Rechtsform einer organisatorischen Einheit ist irrelevant. Weiters ging er auf die Leistungserringung in Umsetzung des Grundsatzes der Solidarität ein, wobei dies laut der Judikatur des EuGH nicht ausreicht, um die Unternehmensqualität an sich zu verneinen. Prof. Mayer beendete seinen Beitrag mit einer abschließenden verfassungsrechtlichen Bemerkung dahingehend, dass die öffentliche Hand nicht Privatautonomie wie ein Privater ausüben kann und es eine Fiskalgeltung der Grundrechte gibt. Das Gebot der Sachlichkeit ist in diesem Zusammenhang zu beachten.

In einem weiteren Referat widmete sich ao. Univ.-Prof. Rudolf Mosler aus Salzburg  dem Thema des Competition Talks. Die Sozialversicherung trifft in zweierlei Hinsicht auf das Kartellverbot, nämlich einerseits als Anbieter von Sozialversicherungsleistungen und andererseits als Nachfrager am Gesundheitsmarkt bzw bei der Organisation der Leistungserbringung. Unter Bezugnahme auf die Judikatur des EuGH hielt er fest, dass die Sozialversicherungsträger dann nicht als Unternehmer zu qualifizieren sind, wenn sie in einem Solidarsystem eine soziale Tätigkeit ausüben. Das Gesamtsystem ist dabei entscheiden. Er zog dabei einen Vergleich mit Deutschland, wo es zwar einen Wettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern gibt, die Beträge eigenständig festsetzen können, dies jedoch noch nicht per se zur Qualifikation als Unternehmen führt. Außerdem kann auch im Bereich der Beschaffungstätigkeit der Abschluss von Gesamtverträgen mit privaten Leistungserbringern eine soziale Tätigkeit darstellen. Schließlich ging Prof. Mosler auf die Praxis des OGH ein, die sozialversicherungsrechtliche Tätigkeit der Krankenversicherungsträger als nicht-wirtschaftlich anzusehen und ließ einen rechtspolitischen Ansatz erkennen, dass die faktische Bereichsausnahme vom Kartellverbot für die soziale Daseinsvorsorge erhalten bleiben soll.

Im letzten Referat kam Dr. Günter Bauer LL.M., Partner bei Wolff Theiss Rechtsanwälte zu Wort. Dieser führte ins Treffen, dass es sich um ein weitgehend ausjudiziertes Thema handelt. Krankenkassen sind auf der Nachfrageseite vorwiegend als Nachfrager von Gesundheitsdienstleistungen und Arzneimitteln, insbesondere bei der Festsetzung der Preise für Arzneimittel im Erstattungskodex tätig, wobei sie in diesem Bereich mit privatrechtlichen Mitteln handeln. Mangels Wettbewerb ist der Gestaltungsspielraum der Krankenkassen in Österreich sehr eingeschränkt. In seinem Referat stellte Dr. Bauer auch dar, dass die Mitgliedstaaten in der Gestaltung der öffentlichen Versicherungssysteme völlig frei sind und es daher auch eine bestimmte Vielfalt in der EU gibt. Er schloss seine Ausführungen damit, dass die europarechtlichen Vorgaben nichts darüber aussagen, was das nationale Kartellrecht regeln kann, sondern lediglich bestimmen, dass das nationale Kartellrecht nicht strenger beurteilen darf als das EU-Kartellrecht.

Generaldirektor Dr. Thanner sprach nach einer angeregten und intensiven Diskussion schließlich die Schlussworte, bedankte sich bei den Rednern für Ihre wertvollen Beiträge sowie Mag. Gerlinde Padlewski für die Moderation des 17. Competition Talks und kündigte den 18. Competition Talk für den 2.9.2015 an.