Begrüßung
Der Generaldirektor der BWB Dr. Theodor Thanner freute sich besonders den nun schon seit 319 Tagen im Amt befindlichen Minister auf kartellrechtlichem Boden begrüßen zu dürfen und wies auf seine bislang tadellose Bilanz und Sachorientiertheit hin. Unter den zahlreich erschienenen Gästen waren auch der Vorsitzende des Kartellobergerichtes Dr. Manfred Vogel, der Bundeskartellanwalt Dr. Alfred Mair sowie der Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich Dipl. Kfm. Marc Fähndrich.
Die Moderation übernahm die BWB-Referentin Mag. Barbara Seelos.
Einleitung
Dr. Brandstetter freute sich bei seinen einleitenden Worten über so viel Interesse zu diesem spannenden Thema und die ihm entgegengebrachte Wertschätzung. Er ist mit der "präventiven Wirkung der BWB" wie er betonte sehr, sehr, sehr zufrieden und muss immer wieder an die BWB und den Generaldirektor denken, wenn er im Alltag als Konsument unterwegs ist. Als eindrucksvolles Beispiel nannte er die Treibstoffpreise: "Jedes Mal, wenn ich Taxi fahre und mich über die hohen Spritpreise ärgere, denke ich mir: Ohne die BWB wären sie noch höher. Ich würde sagen: Ein Thanner entspricht 20 Cent", reüssierte er.
Die Schnittstelle Kartellrecht – Strafrecht
Die Moderatorin Mag. Barbara Seelos fuhr mit folgenden Worten fort: "Wir haben es gern, wenn wir Rückenwind bekommen, damit sind wir nämlich nicht verwöhnt" und gab das Wort wieder an BM Dr. Brandstetter.
Dieser referierte im Weiteren über ausgewählte Fragen etwa die Kronzeugenregelung, die Idealkonkurrenz des Kartellverbots mit einigen Tatbeständen des Strafgesetzbuchs sowie die Gewinnabschöpfung.
Einrichtung der Amtsparteien und Geldbußensystem
Mit der Einrichtung der kartellrechtlichen Amtsparteien der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundeskartellanwalts einerseits und der Einführung des Geldbußensystems andererseits wurde laut Dr. Brandstetter der durch die Kartellgesetz-Novelle 2002 in diesem Bereich spürbare Aufwind in die rechtspolitische Entwicklung aufgenommen.
Diese Entwicklung wurde weiters durch die Neukodifizierung und Ausrichtung am europäischen Kartellrecht mit dem Kartellgesetz 2005 und der Wettbewerbsgesetz-Novelle 2005 fortgesetzt.
"Dabei handelt es sich um eine beachtliche Erfolgsgeschichte. Ich denke, dass sowohl die Anzahl als auch die Dauer der Verfahren europaweit herzeigbar sind", erläuterte Dr. Brandstetter.
Auch ist mit einigen Vorabentscheidungsersuchen zur Weiterentwicklung des europäischen Kartellrechts insbesondere des "Private Enforcement" beigetragen worden.
Alle diese rechtspolitischen Entwicklungen waren außerdem auf einem grundsätzlich konsensualen Weg und unter Einbindung aller Stakeholder zustande gebracht worden. Wobei die Sozialpartner, Rechtsanwaltschaft, Wissenschaft, Amtsparteien und Gerichtsbarkeit in bewährter Weise ihre Expertise eingebracht und so zum Gelingen beigetragen haben.
Settlements und Geldbußenhöhe
Die letzte Studie des Wirtschafts- und Sozialbeirats kritisiere eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der Höhen der bei Settlements beantragten Geldbußen und die Bindung des Kartellgerichts an die von der BWB beantragten Geldbußenhöhe, die auf Kronzeugenfälle beschränkt werden sollte. Dabei stelle sich aber die Frage, ob nicht gerade diese Bindung zentral für das Funktionieren der Settlements ist. "Welche anderen Anreize als die Zusage einer gemilderten Geldbuße können denn sonst einem Unternehmer geboten werden, der bereit ist durch eine selbstbelastende Aussage zur Aufdeckung eines Kartells beizutragen?", meinte BM Dr. Brandstetter.
Im Übrigen ist auch die Kronzeugenregelung des § 11 WettbG nicht auf die Aufdeckung eines Kartellverstoßes anderer Unternehmen beschränkt, sondern lässt auch den "Kronzeugen gegen sich selbst" zu, sodass die Settlementfälle ohnedies auch unter die Kronzeugenregelung fallen.
Absicherung des Kronzeugenstatus
Darüber hinaus stehen nach wie vor die Absicherung des Kronzeugenstatus und die Stellung betroffener Unternehmen bei der Bundeswettbewerbsbehörde zur Diskussion. Dabei geht es primär um Fragen, die im Wettbewerbsgesetz geregelt sind, für das das BMWFW eine führende Verantwortung wahrnimmt. Vor dem Hintergrund ähnlicher Fragen im Strafrecht ist das BMJ an der Diskussion über den kartellrechtlichen Kronzeugen besonders interessiert, eine Verrechtlichung erscheint Dr. Brandstetter in Hinblick auf die vor ihrer Annahme stehende Richtlinie über Schadenersatz aus Wettbewerbsverstößen kaum jedoch vermeidlich.