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Marktmachtmissbrauchsverfahren: Portoservice et al / Österreichische Post AG

Zwischen den Beteiligten ist seit Juni 2019 ein Marktmachtmissbrauchsverfahren nach den §§ 5ff und 26 KartG beim Kartellgericht (27 Kt 8/19g, 27 Kt 10/21d) anhängig. Das KG hat mit Beschluss vom 25.03.2021 zu 27 Kt 10/21d, Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom Februar 2021 abgewiesen; die Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Teilbeschluss vom 22.07.2021 zu 27 Kt 8/19g hat das KG zwei Anträgen der Antragstellerinnen auf Abstellung missbräuchlicher Verhaltensweisen der Antragsgegnerin stattgegeben und die dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrundeliegenden Sachanträge abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Österreichische Post („ÖPAG“) einen Rekurs eingebracht. Das KOG entschied mit Beschluss vom 11.11.2021, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Die BWB hat in dem Verfahren mehrere Stellungnahmen sowie eine Rekursbeantwortung abgegeben und dabei die Vereinbarkeit der Rabattpraxis von ÖPAG mit dem europäischen Wettbewerbsrecht klar in Abrede gestellt.

Die Antragstellerinnen Portoservice et al sind sog Konsolidierer; sie begehren die Abstellung missbräuchlicher Rabattpraktiken und Diskriminierungen der Antragstellerinnen durch die ÖPAG auf den Märkten Zustellung Brief und Info.Mail. Konsolidierer erbringen postvorbereitende Dienstleistungen (Sortieren, Kuvertieren, Aviso, Einbringung in Postverteilzentren etc) für Massenversender (Institutionen, Unternehmen, non-profit Organisationen), die regelmäßig größere Mengen von Brief und/oder Info.Mail versenden. Sie sind aber auch Kunden der Post, weil sie für ihren Marktzugang die End-to-End-Zustellung über die Post in Anspruch nehmen müssen. Der Preis der End-to-End-Zustellleistung der Post stellt ein wesentlicher Kostenfaktor für Konsolidierer dar und begrenzt deren Fähigkeit, postvorbereitenden Dienstleistungen an Massenversender (teils im Wettbewerb mit der Post) zu vermarkten. Die Tätigkeit der Konsolidierer ist in Art 12, fünfter Gedankenstrich der Postdienst-RL 97/67 dahingehend geregelt, dass die Post bei der Vermarktung der eigenen Zustellleistung nicht zwischen Konsolidierern und anderen Großkunden (ie Massenversendern) diskriminieren darf.

Zur Abweisung der von den Antragstellerinnen beantragten einstweiligen Verfügung (KG-Beschluss vom 25.03.2021 zu 27 Kt 10/21d): Das zugrundeliegende Sachvorbringen wurde erst im Antrag vom Februar 2021 neu erstattet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bezog sich auf den Markt für Paketzustellungsdienstleistungen. Das KG begründete die Abweisung des Antrags mit Hinweis auf die fehlende Markbeherrschung von ÖPAG auf diesem Markt bzw fehlende Nachweise für Marktmachmissbrauch.

Der Teilbeschluss des KOG zum Hauptverfahren bezog sich nur auf den Bereich Info.Mail. Das KOG führte dort aus, die ÖPAG sei als marktbeherrschendes Unternehmen (und nicht nur als Universaldienstbetreiber) zur Anwendung von nichtdiskriminierenden Tarifen in ihren Beziehungen zwischen verschiedenen Geschäftspartnern verpflichtet. Die bpost-Entscheidung des EuGH (C-340/13) könne ein generelles Absehen von dieser Gleichbehandlungspflicht im Bereich der Mengenrabatte nicht rechtfertigen. Aufgrund der diesbezüglich klaren Vorgaben des Europäischen Rechts wurde vom KOG auch keine Veranlassung zur Einholung eines Vorabentscheidungsersuchens gesehen; dies zumal Fragen der Sachverhaltssubsumtion von den nationalen Gerichten zu lösen seien.

In diesem Kontext betont das KOG, dass bei der Prüfung einer Diskriminierung im Bereich Info.Mail Unterschiede bei Entgelt und Konditionen in den gesamten Geschäftsbeziehungen von ÖPAG mit den Antragstellerinnen und Großkunden sowie deren Auswirkung auf den Wettbewerb berücksichtigt werden müssen. Im bpost-Verfahren seien Entgeltunterschiede wettbewerbsneutral gewesen. Im Anlassfall konstatierte das KOG demgegenüber, dass die erheblichen Entgeltunterschiede ab dem Jahr 2017 zum Marktaustritt einer Antragstellerin geführt hätten und damit keineswegs wettbewerbsneutral gewesen seien.

Zum Thema Geheimhaltungsverpflichtung bestätigt das KOG die Rechtsansicht des KG, dass schon der Grundsatz der Transparenz und Nichtdiskriminierung nach Art 12 vierter und fünfter Gedankenstrich der Postdienst-Richtlinie 97/67 der Geheimhaltung von tatsächlich vereinbarten Tarifen entgegenstehe. Konkret stehe der Geheimhaltung vereinbarter Tarife aber auch das Diskriminierungsverbot entgegen, das aus dem Marktmachtmissbrauchsverbot abgeleitet wird. Die Prüfung, ob ein Geschäftsgeheimnis vorliege, müsse einzelfallbezogen erfolgen. Das KOG hebt jedoch hervor, dass Nachweise für konkret begangene Wettbewerbsverstöße nach einhelliger Rechtspraxis (16 Ok 14/13, 16 Ok 9/14f etc) niemals Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse darstellen könnten. Die für die Antragstellerinnen allenfalls gegebene Möglichkeit, Wettbewerbsverstöße durch Zielkundenvereinbarungen abzuwenden, kann außerdem laut KOG keine Abhilfe gegen Wettbewerbsverstöße schaffen, da die Geheimhaltungsverpflichtung deren effektiven Umsetzung entgegensteht.