Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (Unfair Trading Practices)

Mit der Richtlinie (EU) 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette (UTP-RL), wurden EU-weite Mindeststandards geschaffen, um problematischen Praktiken von Käufern gegenüber ihren Lieferanten, die aus einem Ungleichgewicht hinsichtlich ihrer Verhandlungsmacht resultieren, entgegenzutreten. Die relevanten österreichischen Rechtsvorschriften, mit deren Durchsetzung die BWB betraut ist, finden sich im Faire Wettbewerbsbedingungen Gesetz (FWBG). Die Erklärungen zu Unlauteren Handelspraktikanten finden Sie weiter unten im Text.

Wo kann ich mich bei unlauteren Handelspraktiken beschweren?

Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, können sich mit einer Beschwerde an die BWB wenden. Als zuständige Durchsetzungsbehörde stehen ihr umfangreiche Ermittlungsinstrumente zur Verfügung. Gegen Käufer, die gegen die UTP-Vorschriften verstoßen kann die BWB vor dem Kartellgericht eine Geldbuße mit einem Höchstbetrag von bis zu 500.000 Euro beantragen.

Auf Antrag der Beschwerdeführer hat die BWB die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dessen Identität sowie alle sonstigen Informationen, deren Offenlegung nach Ansicht der Beschwerdeführer ihren Interessen schaden würden, angemessen zu schützen. In solchen Fällen kann die BWB von einem Antrag an das Kartellgericht absehen.

Unterlassungsansprüche

Zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüche beim Kartellgericht sind neben der BWB und einigen anderen die in § 7 Abs. 2a FWBG genannten Institutionen berechtigt:

  • Vereinigungen, die wirtschaftliche Unternehmerinteressen vertreten, Erzeugerorganisationen, andere Lieferantenorganisationen und Vereinigungen solcher Organisationen, wenn diese Interessen durch den Gegenstand des Verfahrens berührt werden;
  • jedes Unternehmen, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Gegenstand des Verfahrens berührt werden.

Wie kann ich eine Beschwerde einbringen?

Beschwerden können an die BWB per E-Mail an wettbewerb[at]bwb.gv.at gesendet werden. Es gibt auch die Möglichkeit anonym über das Whistleblowing System der BWB in Kontakt zu treten.

Wo kann ich mich noch hinwenden mit einer Beschwerde?

Lieferanten, die von unlauteren Handelspraktiken betroffen sind, können sich auch anonym und vertraulich das Fairnessbüro wenden, welche Beratung und Analyse von Beschwerdefällen anbietet.

Weitere Informationen zum Thema bietet auch der Fairnesskatalog der BWB

Was sind unlautere Handelspraktiken?

Welche Praktiken verboten sind, ergibt sich aus zwei Listen; den Anhängen I und II zum FWBG. Anhang I („schwarze Liste“) nennt Handelspraktiken, die unter allen Umständen verboten sind. Das bedeutet, sie können auch vertraglich nicht vereinbart werden.

Anhang II („graue Liste“) enthält Praktiken, die verboten sind, wenn sie nicht zuvor klar und eindeutig in der Liefervereinbarung oder in einer Folgevereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Käufer vereinbart wurden.

Anhang I (überblicksweise Darstellung)

  • Zahlungsverzug des Käufers von mehr als 30 Tagen bei verderblichen Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen.
  • Zahlungsverzug des Käufers von mehr als 60 Tagen bei sonstigen Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen.
  • Kurzfristige Stornierung der Bestellung verderblicher Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse. Eine Stornierungsfrist von weniger als 30 Tagen vor Lieferung gilt jedenfalls als kurzfristig.
  • Einseitige Änderung der Lieferbedingungen hinsichtlich Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt oder Umfang der Lieferung, des Qualitätsstandards, der Zahlungsbedingungen oder Preise oder im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen, die in Anhang II ausdrücklich genannt werden.
  • Verlangen von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen des Lieferanten stehen.
  • Verlangen von Zahlungen für Qualitätsminderung oder Verlust von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen, die in den Räumlichkeiten des Käufers oder nach Eigentumsübergang an diesen/diese ohne Verschulden des Lieferanten verursacht werden.
  • Verweigerung einer schriftlichen Bestätigung der Bedingungen der Liefervereinbarung, wenn dies vom Käufer verlangt wird.
  • Rechtswidriger Erwerb oder Nutzung von Geschäftsgeheimnissen des Lieferanten
  • Androhung oder Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen gegen den Lieferanten, wenn dieser die vertraglichen oder gesetzlichen Rechte geltend macht.
  • Verlangen einer Entschädigung für die Kosten von Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit dem Verkauf der Erzeugnisse des Lieferanten, obwohl kein Verschulden vorliegt.
  • Gewährung schlechterer Konditionen im Vergleich zu Mitbewerbern der Lieferanten bei gleichwertiger Leistung aus unsachlichen Gründen bei Bestehen eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts (relative Marktmacht).
  • Einschränkung der direkten Vermarktung verderblicher Urprodukte ohne sachliche Rechtfertigung.

Anhang II (überblicksweise Darstellung)

  • Der Käufer schickt nicht verkaufte Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse an Lieferanten zurück, ohne dafür zu bezahlen.
  • Vom Lieferanten wird eine Zahlung dafür verlangt, dass seine Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt gebracht werden.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser die Kosten für Preisnachlässe im Rahmen einer Verkaufsaktion trägt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für Werbung des Käufers für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten, dass dieser für die Vermarktung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen durch den Käufer zahlt.
  • Der Käufer verlangt vom Lieferanten eine Zahlung für das Personal für die Einrichtung der Räumlichkeiten, in denen die Erzeugnisse des Lieferanten verkauft werden.

Welche Produkte fallen unter die UTP Bestimmungen?

Die UTP-Bestimmungen gelten für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse. Das sind Produkte, die in Anhang I zum AEUV angeführt werden (zB Fleisch, Milch, Gemüse aber etwa auch Schnittblumen) sowie Lebensmittel, die aus solchen Produkten hergestellt werden (zB Fruchtjoghurt, Schokoladencreme).

Lieferanten und Käufer

Lieferanten sind landwirtschaftliche Produzenten oder jede natürliche oder juristische Person oder Gruppen von solchen (zB Erzeugerorganisationen), die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse verkaufen (zB Landwirte, Verarbeiter, Handel/Großhandel). Der Verkauf an Verbraucher ist nicht umfasst.

Käufer sind natürliche oder juristische Personen (auch Gruppen von solchen), die Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse kaufen (zB Verarbeiter, Händler, Einkaufsallianzen, Gebietskörperschaften).

Was ist unter ungleicher Verhandlungsmacht zu verstehen?

Als Näherungswert für das Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht zwischen Lieferanten und Käufern dienen deren Jahresumsätze. Beide müssen einander in einem bestimmten Größenverhältnis im Hinblick auf diese gegenüberstehen. Die entsprechenden Schwellenwerte ergeben sich aus § 5a Abs. 2 FWBG.

Jahresbericht FWBG 2022