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Kartellgericht bestätigt Vorgehensweise der BWB bei Hausdurchsuchungen im Hinblick auf Anwaltskorrespondenz

Die BWB hat im Frühjahr 2022 eine Hausdurchsuchung ua wegen des Verdachts auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durchgeführt.

Kartellgericht bestätigt Vorgehensweise der BWB bei Hausdurchsuchungen im Hinblick auf Anwaltskorrespondenz

Die BWB hat im Frühjahr 2022 eine Hausdurchsuchung unter anderem wegen des auf Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durchgeführt. Vom Unternehmen wurden - gestützt auf § 12 Abs 5 WettbG (Widerspruchsrecht) - eine Überprüfung gewisser einzeln bezeichneter elektronischer, nach Ansicht des Unternehmens dem sog Anwaltsprivileg unterliegender Unterlagen an das Kartellgericht begehrt. Nach dieser Bestimmung kann der Adressat einer Hausdurchsuchung „unter Berufung auf eine ihn treffende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit oder ein ihm zustehendes Rechts zur Aussageverweigerung gemäß § 157 Abs 1 Z 2 bis 5 StPO“ die Einsichtnahme in Unterlagen widersprechen.

Umfang des Widerspruchsrechts nach § 12 Abs 5 WettbG

Das Kartellgericht hat nunmehr zu 24 Kt 4/22a erneut - in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des OGH zu 16 Ok 2/14 - ausgesprochen, dass das Widerspruchsverfahren gem § 12 Abs 5 WettbG den Kreis der Widerspruchsberechtigen bewusst einschränken wollte. Ermittlungsverfahren sollen rasch und effizient geführt werden können. Unterlagen einem Geheimnisschutz großzügig zuzuordnen würde eine zeitintensive separate Überprüfung durch ein Gericht erfordern. Dies würde Ermittlungen wesentlich verzögern.

Zum Widerspruch gemäß § 12 Abs 5 WettbG ist somit nur derjenige berechtigt, den selbst eine Verschwiegenheitspflicht trifft bzw ein Recht zur Verweigerung der Aussage selbst zusteht. Zu denken ist hier etwa an Angehörige rechtsberatender Berufe oder auch Ärzte und Ärztinnen. Da der Adressat der Hausdurchsuchung nicht zu den Widerspruchsberechtigen zählt, waren die Unterlagen der BWB zurückzustellen.  

Schutz des Schriftverkehrs zwischen Unternehmen und unabhängigem Rechtsbeistand nach Maßgabe der europäischen Rechtsprechung durch die BWB

Erst im Juli 2022 veröffentlichte die BWB eine aktualisierte Version des Leitfadens zu Hausdurchsuchungen. Dabei wurde die von der BWB bereits bisher gehandhabte Praxis im Umgang mit  Unterlagen, welche Anwaltskorrespondenz  enthalten, nunmehr explizit im Leitfaden dargestellt. Die BWB respektiert demnach nach Maßgabe der europäischen Rechtsprechung den Schutz des Schriftverkehrs zwischen Unternehmen und einem unabhängigen Rechtsbeistand, der im Rahmen und im Interesse des Unternehmens auf Verteidigung geführt wird (kartellrechtliches Anwaltsprivileg).

In der Praxis wird den Unternehmen zudem nach Auswertung der sichergestellten elektronischen Unterlagen bekannt gegeben, welche Unterlagen die BWB beabsichtigt zum Ermittlungsakt zu nehmen. Den Unternehmen wird auch die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben.

Darüber hinaus ist die BWB bei der weiteren Verwendung der Unterlagen sowie allgemein bei der Ausübung ihrer Befugnisse zur Einhaltung der in Österreich geltenden Grundrechte, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts verpflichtet.

Die Entscheidung des Kartellgerichts zu 24 Kt 4/22a ist rechtskräftig.