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KOG zur Abstellung und Feststellung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (TATA/KombiP2007)

TATA (Telekom Austria TA AG) bot bis 2008-01-15 das Produkt KombiP2007 (Breitband Internet, Festnetz- und Mobiltelephonie für € 19,90 bzw € 25,90/Monat) an. Sofern dieses Produkt im Aktionszeitraum bestellt wurde, gelten die Konditionen des KombiP2007 über den Aktionszeitraum hinaus bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kunden („lifetime“). 2008-04-11 brachte TATA die dem KombiP2007 ähnlichen, jedoch leistungsstärkeren Produkte aonKombi (€ 29,90/Monat) und aonSuperKombi (inkl aonTV; € 34,90/Monat) auf den Markt.

Ein Unternehmensverband und ein alternativer Netzbetreiber, der zugleich als TATAs Kunde auf dem Vorleistungsmarkt und als TATAs Mitbewerber auf dem Endkundenmarkt aktiv ist, brachten vor, durch das KombiP2007 werde eine Preis-Kosten-Schere verwirklicht (ein solcher „margin squeeze“ liegt vor, wenn der zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreis liegende Betrag nicht ausreicht, um TATAs Mitbewerbern ein wettbewerbsfähiges Angebot auf dem Endkundenmarkt zu ermöglichen), und beantragten 2007-12-27 beim KG (Kartellgericht) ua
- die Abstellung,
- hilfsweise die Feststellung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (= Verstoß gegen § 5 KartG), der in den zum margin squeeze führenden Konditionen des KombiP2007 gesehen wurde.

2008-06-26 wies das KG
- den Antrag auf Abstellung ab: ein Abstellungsauftrag könne nur erteilt werden, wenn der Verstoß im Entscheidungszeitpunkt noch andauere; das in Frage stehende Verhalten TATAs sei jedoch im Entscheidungszeitpunkt bereits beendet gewesen, weil das KombiP2007 nach 2008-01-15 nicht mehr bestellt werden konnte;
- den Antrag auf Feststellung zurück: die Antragsteller hätten kein rechtliches Interesse an der Feststellung dargetan; die Gefahr der Wiederholung der konkreten Zuwiderhandlung sei nicht ausreichend dargetan; eine klärungsbedürftige Rechtsfrage (margin squeeze) liege nicht vor, weil die inhaltliche Richtigkeit der TATA vom Regulator auferlegten Verpflichtungen sowie ein allfälliger Verstoß gegen diese Verpflichtungen in entspr verwaltungsrechtlichen Verfahren, nicht vom KG zu prüfen sei.

Gegen die Entscheidung des KG richteten sich die Rekurse der BWB, des Bundeskartellanwalts und der Antragsteller.

Mit Beschluß 2009-01-19 gab das KOG (Kartellobergericht) den Rekursen Folge, hob die angefochtene Entscheidung des KG auf und trug dem KG die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das KOG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
- Im konkreten Fall ist ein Abstellungsauftrag möglich, weil die effektive Bekämpfung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ein Eingreifen des KG auch dann erfordert, wenn das verbotene Verhalten zwar bereits beendet ist, dessen Auswirkungen aber aufgrund des langfristigen Charakters der mit den Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens abgeschlossenen Verträge noch andauern. In einem solchen Fall können die Mitbewerber nicht auf Schadenersatzansprüche verwiesen werden, weil vorrangiges Anliegen der Rechtsordnung die effiziente Wiederherstellung des Wettbewerbs und nicht der – stets nur ein Surrogat bildende – geldwerte Ausgleich von dessen Beeinträchtigung ist.
- Im konkreten Fall ist auch die Feststellung möglich, weil die Gefahr der Wiederaufnahme der (allenfalls) wettbewerbswidrigen Praxis besteht und zentrale Rechtsfragen des Wettbewerbsrechts zu klären sind und damit das notwendige berechtigte Interesse der Antragsteller gegeben ist.
- Das KOG bekräftigte neuerlich, daß eine allfällige Genehmigung des Tarifs durch die Regulierungsbehörde nicht zwingend auch dessen kartellrechtliche Zulässigkeit bedeutet.

Im Ergebnis ist festzuhalten: Das KOG hält seine bisherige Rsp aufrecht und entwickelt sie – mit sorgfältiger Begründung und in begrüßenswerter Klarheit – im Sinne einer verbesserten Wirksamkeit der Mißbrauchsaufsicht weiter.

Das KG wird sich nun mit der im bisherigen Verfahren noch nicht behandelten Frage zu befassen haben, ob tatsächlich ein margin squeeze vorliegt und dadurch der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verwirklicht wird.