Home » News » Detail

VwGH bestätigt Praxis der BWB bei Amtshilfeermittlungen im ECN

Mit Erkenntnis vom 18.03.2022 (Ro 2018/04/0001) hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die außerordentliche Revision eines Unternehmens, das in der Durchführung einer Hausdurchsuchung im Wege der europäischen Amtshilfe durch die niederländische Wettbewerbsbehörde die Ausübung rechtswidriger unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erblickte, als unbegründet zurückgewiesen.

Der VwGH knüpft darin an die Judikatur des OGH zur Rechtsnatur von Ermittlungshandlungen auf Ersuchen gem Art 22 VO 1/2003 an und trifft weitergehende Aussagen zum Amtshilfeersuchen selbst. Im Ergebnis bestätigt somit auch der VwGH das korrekte Vorgehen der BWB im Rahmen der etablierten Amtshilfepraxis innerhalb des European Competition Network (ECN).

Zur Vorgeschichte:

Am 08. und 09.11.2016 hatte die niederländische Wettbewerbsbehörde Autoriteit Consument & Markt (ACM) gestützt auf ein Ersuchen gemäß Art 22 VO 1/2003 der BWB eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der revisionswerbenden Partei in den Niederlanden durchgeführt.

In einer Maßnahmenbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wurde dagegen iW geltend gemacht, die Hausdurchsuchung "im Namen und auf Rechnung" der BWB hätte nur auf Grundlage eines Hausdurchsuchungsbefehls des Kartellgerichtes erfolgen dürfen.

Mit Beschluss des BVwG vom 25.01.2017 wies dieses die Maßnahmenbeschwerde der revisionswerbenden Partei gegen die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 08. und 09.11.2016 wegen Unzuständigkeit zurück, erklärte allerdings die ao. Revision für zulässig.

Nachdem bereits der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit Beschluss vom 24.11.2017 die Behandlung der Beschwerde mangels aufgezeigter verfassungsrechtlicher Fragestellungen (insb Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter) abgelehnt hatte, hatte sich nunmehr der VwGH mit der abgetretenen Beschwerde auseinanderzusetzen.

Wesentliche Gesichtspunkte der Entscheidung:

Ermittlungen im Wege der Amtshilfe richten sich nach dem Recht der ersuchten Behörde

Bezugnehmend auf eine frühere Entscheidung des OGH vom 15.07.2009 (16 Ok 7/09) stellte nun auch der VwGH klar, dass die in Art 22 VO 1/2003 gewählte Formulierung "im Namen" der ersuchenden Behörde nicht so zu verstehen sei, dass es sich um eine Amtshandlung dieser Behörde (hier der BWB) handle. Vielmehr werde die Amtshandlung im eigenen Namen der ersuchten Behörde (hier der ACM), wohl aber im Interesse der ersuchenden Behörde, durchgeführt. Es gehe somit lediglich um die Deutlichmachung, dass eine Ermittlungshandlung für eine andere Behörde erfolgt.

Zwar sollen Ermittlungsakte im Ausland damit nicht niedrigeren (inhaltlichen) Anforderungen unterliegen als im Inland - die ersuchende Wettbewerbsbehörde muss daher auch Angaben zu sämtlichen Umständen, wie insbesondere zum Anfangsverdacht und zum Gegenstand und Zweck der Untersuchung, machen, die nach dem nationalen Recht der ersuchten Behörde erforderlich sind, um das Vorliegen der danach benötigten Eingriffsvoraussetzungen prüfen zu können. Doch erfolgt die Anordnung einer Hausdurchsuchung (hier: in den Niederlanden)

nach Maßgabe des anzuwendenden nationalen Rechts der ersuchten Behörde.

Für eine vorherige gerichtliche Prüfung einer Hausdurchsuchung durch eine Wettbewerbsbehörde in einem anderen Mitgliedstaat nach österreichischem Recht besteht keine Rechtsgrundlage und das österreichische Kartellgericht hat keine Kompetenz und Weisungsbefugnis gegenüber der Wettbewerbsbehörde im fremden Hoheitsgebiet.

Für den vorliegenden Fall folgt daher, dass die Hausdurchsuchung insoweit der niederländischen Behörde zuzurechnen ist, die selbstständig tätig geworden ist. Die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Hausdurchsuchung richtet sich daher nach dem Recht des Staates der ersuchten Behörde und ist dementsprechend durch die im niederländischen Recht vorgesehenen Rechtsschutzinstrumente zu überprüfen.

Keine gesonderte Bekämpfbarkeit von Amtshilfeersuchen

Der VwGH verwarf weiters die von der Revisionswerberin vertretene Auffassung, bereits dem Amtshilfeersuchen auf Durchführung einer Hausdurchsuchung selbst komme eine eigenständige rechtliche Qualität zu, weshalb schon die Stellung eines Ersuchens als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren sei.

Ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liege nach der Rsp des VwGH nur dann vor, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herbeizuführen. Durch die Stellung des Amtshilfeersuchens hat die BWB aber nicht unmittelbar in subjektive Rechte der revisionswerbenden Partei eingegriffen, weil die tatsächliche Amtshilfeleistung und damit die Durchführung der Maßnahme erst der ersuchten Behörde obliegen.

Das Stellen eines Amtshilfeersuchens bildet daher schon mangels Unmittelbarkeit keinen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Für die Erhebung eines Rechtsmittels gegen das Ersuchen selbst gibt es im österreichischen Recht keine gesetzliche Grundlage. Auch liege darin keine planwidrige Lücke, weil die Möglichkeit zu einem Rechtsmittel nach dem Recht der ersuchten Behörde bestehe.

Fazit

Mit dem vorliegenden Erkenntnis des VwGH haben nunmehr alle drei österreichischen Höchstgerichte sowohl die rechtliche Unbedenklichkeit der Amtshilferegelungen der VO 1/2003, als auch deren korrekte Anwendung durch die BWB bestätigt.

Die Entscheidung ist im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) abrufbar: