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BWB brachte umfassende Stellungnahme zu den geplanten Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsgesetz ein

Am 26.4.2021 wurden die geplanten Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsgesetz als Begutachtungsentwurf auf der Seite des Parlaments veröffentlicht.

 

Hintergrund für die Novellierung der Gesetze, ist die sogenannte „ECN+ Richtlinie zur Stärkung der nationalen Wettbewerbsbehörden“, welche in Österreich umgesetzt werden muss.

Für die Umsetzung des Wettbewerbsgesetzes sind das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und für die Umsetzung des Kartellgesetzes das Bundesministerium für Justiz zuständig.

Mit 18.5.2021 endet die Begutachtungsfrist für die Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsgesetz.

Stellungnahme der BWB zur Kartell- und Wettbewerbsgesetznovelle

Die BWB hat eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben.

Generell würden die geplanten Änderungen in den Gesetzen mehrere Risiken bedeuten wie bspw. die Aufweichung der Verpflichtung zur Einhaltung des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie ein erhöhter bürokratischer Aufwand für Unternehmen, welcher zu Verfahrensverzögerungen mit negativen Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort führen könnte. Weiters wäre die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der BWB nicht gestärkt, sondern in mehreren Punkten geschwächt.

Die BWB stellt für Gespräche jederzeit ihre Expertise zu Verfügung.

Zur Umsetzung der ECN+ Richtlinie:

  • Unvollständige Umsetzung bei Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde

Die Umsetzung der ECN+ Richtlinie erweist sich bedauerlicherweise als unvollständig. Laut der Richtlinie muss für Wettbewerbsbehörden eine vollständige Unabhängigkeit im personellen, finanziellen und technologischen Bereich gewährleistet werden. Der geplante Entwurf des Wettbewerbsgesetzes sieht hier keine Anpassungen vor. In Deutschland ist das Bundeskartellamt bspw. als selbstständige Bundesbehörde gesetzlich verankert.

Weitere Schritte zur Sicherung der Unabhängigkeit stehen daher noch aus.

  • Unvollständige Umsetzung bei der notwendigen Ressourcenausstattung

Laut der Richtlinie müssen nationale Wettbewerbsbehörden in der EU über eine ausreichende Zahl qualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie über ausreichende finanzielle und technische Mittel verfügen um für eine wirksame Durchsetzung der europäischen und nationalen Wettbewerbsregeln sorgen zu können. Das Regelbudget der BWB reichte im Jahr 2020 nicht aus um Aufwände wie Personalkosten, Miete und Ausgaben zur Aufrechterhaltung der IT Infrastruktur über das gesamte Jahr zu finanzieren. Im Jahr 2020 konnten die Ausgaben nur durch Umschichtungen und Zusatzmitteln von Einnahmen aus Geldbußen sichergestellt werden. Eine Anpassung des Regelbudgets ist daher dringend erforderlich. Im Ländervergleich ist die BWB personell und budgetär gering ausgestattet. Siehe dazu Pressemeldung „BWB im internationalen Vergleich - Rating Enforcement.“

Eine angemessene personelle und finanzielle Ressourcenausstattung der BWB ist sicherzustellen.

Relevante Themen im Wettbewerbsgesetz:

  • Einschränkung bei der Präventionsarbeit

Die BWB ist ihm Rahmen ihrer Tätigkeit die Präventionsarbeit ein wichtiges Anliegen. Damit sollen Unternehmen unterstützt werden die wettbewerbsrechtlichen Regeln einzuhalten. Zur Präventionsarbeit zählen ua die Veröffentlichung von Standpunkten, Organisation von Veranstaltungen und Beratungstätigkeiten.

Durch die neue Formulierung in § 1 Abs 1 lit a WettbG „Sicherstellung funktionierenden Wettbewerbs, indem Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen im Einzelfall entgegengetreten wird, kommt es zu einer groben Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der BWB da nur mehr in Einzelfällen Präventionsarbeit möglich wäre. Dies würde bedeuten, dass bspw. ein Standpunkt veröffentlicht werden dürfte, wenn es einen konkreten Anlassfall wie bspw. eine vorliegenden Kartellverstoß in einem Markt gäbe. Die Veranstaltung von Competition Talks zu wettbewerbsrechtlichen Themen wäre hingegen nach der neuen Definition nicht mehr möglich. Gerade Präventionsarbeit zielt darauf ab, Verstöße durch Bewusstseinsschaffung vorab zu verhindern.

Vorschlag der BWB: Die gesetzliche Passage soll daher so formuliert werden, sodass Präventionsarbeit weiterhin möglich ist.

  • Möglichkeit zu Stellungnahmen soll eingeschränkt werden

Weiters soll die BWB keine Möglichkeit mehr haben unabhängig Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik abzugeben. In der Vergangenheit hat die BWB aber gerade durch die Abgabe von Stellungnahmen zu einem wettbewerbspolitischen Diskurs und guten Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb beigetragen. Im Jahr 2020 hat die BWB insgesamt 15 Stellungnahmen zu wettbewerbspolitischen Themen abgegeben.

Nach der neuen Gesetzeslage darf die BWB nur auf Ersuchen der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort Stellungnahmen abgeben.

Vorschlag der BWB: Der BWB sollte die Möglichkeit erhalten bleiben, weiterhin unabhängig Stellungnahmen abgeben zu können.

  • Berichtspflicht ist nicht mit der Unabhängigkeit einer Wettbewerbsbehörde vereinbar

Mit der geplanten Berichtspflicht wäre die BWB verpflichtet, die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort unverzüglich über Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung schriftlich zu unterrichten.

Erfasst von der Berichtspflicht wären sämtliche Ermittlungstätigkeiten wie Hausdurchsuchungen und Informationen zum Whistleblowingsystem in Bezug auf nationale Kartelle und Marktmachtmissbräuche. Ebenfalls sind davon Zusammenschlüsse betroffen. Die BWB wäre verpflichtet sensible Unternehmensinformationen wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse an das BMDW auf Aufforderung zu übermitteln.

Die Richtlinie ECN+ hingegen weist auf verhältnismäßige Rechenschaftspflichten hin. Dazu zählt zum Beispiel die Veröffentlichung des Tätigkeitsberichtes, welcher jährlich von der BWB veröffentlicht und dem Parlament vorgelegt wird. Die geplante Berichtspflicht ist nicht angemessen.

Vorschlag: Die Berichtspflicht soll zur Gänze entfallen oder zumindest auf ein angemessenes Maß beschränkt werden.

Die BWB nimmt in Bezug auf die Änderungen im Wettbewerbsgesetz ebenfalls Stellung

  • zur Erweiterung der Amtshilfebestimmung,
  • zur Vertretung im beratenden Ausschuss vor der Europäischen Kommission nach der EU Fusionskontrollverordnung und Befassung der Wettbewerbskommission, die nicht mit dieser Verordnung vereinbar ist und nicht im Einklang mit dem Verwertungsverbot bzw. dem Berufsgeheimnis stehen würde,
  • zur Übermittlung von Zusammenschlussakten an das BMDW für Zwecke der Investitionskontrolle, die zu Verfahrensverzögerungen und erhöhten bürokratischen Aufwand führt,
  • zur Verhängung von Geldstrafen durch die BWB,
  • zu den Regelungen des Kronzeugenprogramms,
  • zur Zustellung und Vollstreckung im European Competition Network (ECN)
  • sowie zur Verpflichtung, der Wettbewerbskommission Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, die einen erhöhten bürokratischen Aufwand bedeuten würde.

Relevante Themen im Kartellgesetz:

Im Kartellgesetz nimmt die BWB insbesondere Stellung

  • zur Neustrukturierung der fusionskontrollrechtlichen Rechtfertigungsgründe

Der bisherige Rechtfertigungsgrund sieht vor, dass ein Zusammenschluss trotz Vorliegen der Untersagungsgründe freizugeben ist, wenn er zur „Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig und volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.“ Zukünftig solle ein untersagungswürdiger Zusammenschluss freigegeben werden, wenn dies „zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen notwendig ist“. Anders als bisher wird zudem gefordert, dass „die zu erwartenden Vorteile die Nachteile des Zusammenschlusses überwiegen.“ In der Literatur wurde schon bisher gewarnt, dass Rechtfertigungsgründe, von denen überwiegend inländische Unternehmen profitieren mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sind.

Nach ständiger Rsp des EuGH sind nationale Maßnahmen, die die Grundfreiheiten aus „rein wirtschaftlichen Gründen“ beschränken mit der Niederlassungsfreiheit (bei Kontrollerwerb) und der Kapitalverkehrsfreiheit (bei Minderheitsbeteiligungen) unvereinbar und müssen vor nationalen Gerichten anfechtbar sein.

Vorschlag: Vor dem Hintergrund unionsrechtlicher Bedenken und der Möglichkeit, Ausgleichfaktoren wie die Sanierungsfusion und die Effizienzeinrede schon jetzt zu berücksichtigen wird angeregt, § 12 Abs 2 Z 2 KartG ersatzlos zu streichen.

  • zu den Rechtfertigungsgründen bei Medienzusammenschlüssen

Durch die Kontrolle von Medienzusammenschlüssen soll Medienvielfalt gewährleistet werden. Darunter ist eine „Vielfalt von selbständigen Medienunternehmen“ zu verstehen, die „eine Berichterstattung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Meinungen gewährleistet“ (§ 13 KartG). Nach bisheriger Rechtslage gilt § 12 Abs 2 Z 2 KartG auch als Rechtfertigungsgrund in Medienzusammenschlüssen. Da der Wortlaut des § 13 Abs 1 KartG im Entwurf nicht verändert wurde, könnten Beeinträchtigungen der Medienvielfalt zukünftig bereits dadurch gerechtfertigt werden, dass sie zur Erhaltung oder Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Es sollte ausgeschlossen werden, dass eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit durch den Abbau und/oder Reduktion von Medien- und Meinungsvielfalt erreicht werden kann.

Vorschlag: Der Verweis in § 13 auf die Rechtfertigungsgründe in § 12 Abs 2 Z 2 und ggf 3 sollte daher gestrichen werden.

Die Stellungnahme der BWB beinhaltet ebenfalls Anpassungsvorschläge im Kartellgesetz

  • zur Berücksichtigung eines Beitrags zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft
  • zur relativen Marktbeherrschung,
  • zur Einführung des SIEC Tests in der Zusammenschlusskontrolle,
  • zur Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung auf mehrseitigen digitalen Märkten,
  • und zur Schwärzung von Textpassagen in RIS Veröffentlichungen von Entscheidungen.

Keine Berücksichtigung der Vorschläge durch die BWB

  • BWB fordert weniger Bürokratie bei Zusammenschlüssen - Schaffung einer zweiten Inlandsumsatzsschwelle zur Entlastung des Wirtschaftsstandortes und der Unternehmen

Die BWB fordert seit längerem bereits eine zweite Inlandsumsatzschwelle bei Zusammenschlussanmeldungen einzuführen. Bei der BWB wird im internationalen Vergleich eine hohe Anzahl von Zusammenschlüssen angemeldet. Viele Unternehmensübernahmen betreffen den österreichischen Markt nur sehr gering oder sind nicht geeignet, ernsthafte wettbewerbliche Bedenken auszulösen. Unternehmen haben dadurch einen hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand. Dies wirkt sich für den österreichischen Wirtschaftsstandort negativ auf. Die österreichischen Regeln entsprechen ebenfalls nicht dem internationalen Standard. Die Forderung blieb bis heute unberücksichtigt.

Eine bürokratische Entlastung für Unternehmen wäre daher zu befürworten.

Weitere im Entwurf nicht berücksichtigende Punkte wären

  • eine abschließende Klärung des Verhältnisses zwischen Kartellrecht und Strafrecht
  • Unionsrechtskonforme Verankerung der Immunität natürlicher Personen
  • Verankerung eines Rechtsweges zur Durchsetzung der P2B Verordnung

STELLUNGNAHME BWB