BWB/M-204 Radiusklausel

Hintergrund

Im Jahr 2007 wurde ein Individualantrag gegen das Einkaufszentrum P**** (Antragsgegnerin) gemäß § 26 iVm §§ 1 und 5 KartG beim Kartellgericht (KG) eingebracht. Die Antragsgegnerin setzte in 90% ihrer Bestandverträge eine sogenannte Radiusklausel durch, die dem Bestandnehmer innerhalb eines bestimmten Umkreises den Betrieb eines Geschäfts in einem anderen Einkaufszentrum untersagte.

​Die Laufzeit der Bestandverträge betrug zwischen 3 und 15 Jahren und wurde nach Ablauf dieser Frist im Falle einer Verlängerung des Bestandvertrages erneut mit einer Radiusklausel abgeschlossen. Eine Auseinandersetzung mit der Wettbewerbsbeschränkung „Alleinbezugsverpflichtung (Radiusklausel)" wurde seitens des KG nicht vorgenommen, da die Bagatellkartellschwelle anhand der Abgrenzung des relevanten Marktes nicht überschritten wurde.

Rekurs der BWB und Entscheidung des OGH

Der Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde richtete sich gegen die Marktabgrenzung und die vom Sachverständigen herangezogene Methode. Das kartellgerichtliche Verfahren beschäftigte sich mit der Frage, ob für die Bestimmung der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung (Bagatellkartellschwelle) die Hinzurechnung eines Konsumverzichts - der nicht zur Deckung desselben Bedarfs bestimmt ist - zur Substitutsabwanderung im Rahmen des SSNIP-Tests mit § 23 KartG vereinbar ist.

Der vorliegende Fall war ein Präzedenzfall, in dem erstmals nachgewiesen werden konnte, dass eine geringfügige Erhöhung nicht deshalb unrentabel war, weil die Bestandnehmer auf ein Substitutsgut (anderes Einkaufszentrum) ausweichen würden, sondern weil sie auf den Konsum (Standort) verzichteten. Dieser Nachweis impliziert, dass der Marktpreis bereits angehoben wurde, da nur bei bereits angehobenem Marktpreisniveau der Konsumverzicht ursächlich für eine unrentable Preiserhöhung sein kann.

In der Entscheidung 16 Ok 6/15s vom 8.10.2015 sprach der OGH aus, dass die Frage der Marktabgrenzung grundsätzlich eine Tatfrage ist, soweit es sich dabei um die Feststellung objektiv überprüfbarer Abgrenzungskriterien handelt, und lediglich insoweit eine Rechtsfrage, als es um die Bewertung der der Marktabgrenzung zugrunde liegenden Methode geht. Weiters wurde der vom Sachverständigen angewendete SSNIP-Test als geeignete Methode bezeichnet. Dem Rekurs wurde nicht stattgegeben.

Die Entscheidung ist rechtskräftig und im RIS abrufbar.