BWB/K-150 Geldbußenentscheidung gegen 30 Unternehmen in der Speditionsbranche

Auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde hat das Kartellgericht am 19.12.2014 Geldbußen iHv EUR 17.468.091,-- gegen 30 Unternehmen wegen Absprachen in der Speditionsbranche verhängt.

Die Unternehmen gründeten ein eigenes Gremium: die sogenannte "Speditions-Sammelladungs-Konferenz (SSK)". Innerhalb der SSK wurden in den Jahren 2002 bis 2007 die Preise für Leistungen im Sammelladungsverkehr zwischen den Unternehmen abgestimmt.

Die Geldbußen bewegen sich in einer Bandbreite von EUR 2.500,-- Euro bis ca. 7 Millionen Euro.

Die Beschlüsse des KG sind rechtskräftig.

Zur Chronologie:

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hatte Ende Februar 2010 nach umfangreichen Ermittlungen gegen mehrere Speditionsunternehmen Anträge auf Geldbußen beim Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht (KG) eingebracht. Wesentlich waren die Hinweise eines Kronzeugen, der mit der BWB kooperierte. Gegen diesen wurde keine Geldbuße, sondern lediglich die Feststellung der Zuwiderhandlung beantragt.

Mit dem Beschluss vom 22.02.2011 wies das KG zunächst hinsichtlich des Sachverhaltskomplexes SSK die Geldbußenanträge der BWB ab. Das KG verneinte in seiner rechtlichen Beurteilung unter anderem auf Grund einer Entscheidung des Kartellgerichts aus dem Jahr 1996, in der festgestellt wurde, dass die SSK ein zulässiges Bagatellkartell iSd § 16 KartG 1988 sei, sowie auf Grund der Einholung von Rechtsrat von einer auf Kartellrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei und der freiwilligen Beendigung im Jahr 2007, das Vorliegen von Verschulden der SSK-Mitglieder im Hinblick auf einen Verstoß gegen Unionskartellrecht sowie gegen nationales Kartellrecht.

Gegen diesen Beschluss erhob die BWB Rekurs an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht (KOG).

Über die von der BWB erhobenen Rechtsmittelgründe hat das KOG nicht abschließend entschieden, sondern sich mit zwei Vorlagefragen an den EuGH gewandt (OGH als KOG, 16 Ok 4/11; C-681/11 - BWB gegen Schenker e.a.).

Das KOG fragte im Wesentlichen unter welchen Voraussetzungen ein nicht vorwerfbarer Irrtum über die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens vorliege, und zum anderen, ob nationale Wettbewerbsbehörden befugt seien, Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht festzustellen ohne gleichzeitig eine Geldbuße zu verhängen.

Die Europäische Kommission brachte sich als "amicus curiae ex officio" in dieses Verfahren ein (Art 15 (3) VO 1/2003). Nach Ansicht der Europäischen Kommission lag in diesem Fall kein entschuldbarer Verbotsirrtum vor.

Am 18.06.2013 hat der EuGH die vom OGH vorgelegten Fragen entschieden.

Der EuGH führt in seiner Entscheidung aus, dass "[…] das Wettbewerbsrecht der Union dahin auszulegen ist, dass ein Unternehmen, das dagegen verstoßen hat, nicht der Verhängung einer Geldbuße entgehen kann, wenn der Zuwiderhandlung ein Irrtum dieses Unternehmens über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens zugrunde liegt, der auf dem Inhalt eines Rechtsrats eines Anwalts oder einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde beruht […]"

Die zweite aufgeworfene Frage hatte zum Inhalt, ob das Kartellgericht eine Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das Unionsrecht treffen könne. Dazu meint der Gerichtshof, dass "[…] sich die nationalen Wettbewerbsbehörden, wenn das betreffende Unternehmen an einem nationalen Kronzeugenprogramm teilgenommen hat, in Ausnahmefällen darauf beschränken können, eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festzustellen, ohne eine Geldbuße zu verhängen […]".

Mit Beschluss vom 2.12.2013 stellte der OGH das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art 101 AEUV fest und verwies das Verfahren zur Bemessung der Geldbußen an das KG zurück, welches nun am 19.12.2014 Beschlüsse mit Geldbußen in der Höhe von insgesamt EUR 17.468.091,-- verhängt hat.

Mit Beschluss vom 19.12.2014 begründete das KG seine Entscheidung damit, dass die am Markt für Speditionsdienstleistungen im Wege des Sammelladungsverkehrs (Stückgutverkehrs) innerhalb Österreichs tätigen Unternehmen im Rahmen der SSK die Tarife für den Inlandssammelladungsverkehr abgesprochen haben, ihre Verhaltensweisen abgestimmt haben und so das Ziel verfolgten den Wettbewerb zu minimieren. Das Gericht ging von Fahrlässigkeit aus. Weiters konnte nicht festgestellt werden, inwiefern die Tarife auch tatsächlich umgesetzt wurden.

Über die teilnehmenden Unternehmen wurden insgesamt Geldbußen iHv EUR 10.318.091,-- verhängt.

Mit einem weiteren Beschluss vom 19.12.2014 stellte das KG eine Zuwiderhandlung eines weiteren im Schienenspediteursbereich tätigen Unternehmens aufgrund eines Informationsaustausches fest. Das Unternehmen gab hierzu ein Anerkenntnis ab. Das Gericht verhängte eine Geldbuße i iHv EUR 7.150.000,--.

Die von den Beschlüssen betroffenen Unternehmen sind:

ABX Logistics (Austria) GmbH*, Alpentrans Spedition und Transport GmbH*, Logwin Solutions Austria GmbH (vormals Logwin Invest Austria GmbH), DHL Express (Austria) GmbH, G. Englmayer Spedition GmbH, Rail Cargo Logistics-Austria GmbH (vormals Express-Interfracht Internationale Spedition GmbH), A. Ferstl Speditionsgesellschaft mbH*, Spedition, Lagerei und Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen Alois Herbst GmbH & Co KG *, Johann Huber Spedition und Transportgesellschaft mbH, Kapeller Internationale Spedition GmbH, Keimelmayr Speditions- u. Transport GmbH*, Koch Spedition KG (vormals Koch Speditions GmbH), Kühne + Nagel GmbH, Lagermax Internationale Spedition Gesellschaft mbH, Morawa Transport GmbH in Liquidation, Johann Ogris Internationale Transport- und Speditions GmbH, Logwin Road + Rail Austria GmbH, Internationale Spedition Schneckenreither Gesellschaft mbH, Leopold Schöffl GmbH & Co KG*, "Spedpack"-Speditions- und Verpackungsgesellschaft mbH*, Johann Strauss GmbH, Thomas Spedition GmbH*, Traussnig Spedition GmbH, Treu SpeditionsgesmbH, Spedition Anton Wagner GmbH*, Gebrüder Weiss GmbH, Wildenhofer Spedition und Transport GmbH, Marehard u. Wuger Internat. Speditions- u. Logistik GmbH* und Rail Cargo Austria AG

* Über diese Unternehmen wurden nur geringe Geldbußen verhängt, weil sie trotz SSK-Mitgliedschaft keine Umsätze mit nationalen Sammelguttransporten erzielt hatten, eine sehr untergeordnete Rolle im Rahmen der SSK gespielt und teilweise mit der BWB kooperiert haben.