BWB/K-144 Pressegroßhandel

Das Kartellgericht (KG) hat am 20.3.2013 die Anträge der Amtsparteien auf Abstellung von Zuwiderhandlungen gegen Art 101 AEUV durch Vereinbarungen über Preisbindung und über absoluten Gebietsschutz zwischen Verlagen und Pressegroßhändlern abgewiesen.

Vorverfahren

Die Amtsparteien BWB und BKartAnw haben bereits 2007 maßgebliche Vereinbarungen des Großhandels von Zeitungen und Zeitschriften (Pressegrosso) - den absoluten Gebietsschutz zugunsten des Pressegrossisten sowie die Preisbindung zweiter Hand durch den Verlag - beim Kartellgericht (KG) beeinsprucht.

Im ersten Rechtsgang wurde vom Kartellobergericht (KOG) 2009 in höchster Instanz anerkannt, dass die strittigen Vereinbarungen tatbestandmäßig iSv Art 101 AEUV seien, anschließend wurde im fortgesetzten Verfahren geprüft, ob diese iSv Art 101 Abs 3 AEUV gerechtfertigt werden können

(vgl hierzu bereits /KartelleUndMarkmachtmissbrauch/Entscheidungen/Seiten/K-144.aspx).

Beschluss des KG über die Rechtfertigung gem Art 101 Abs 3 AEUV

Das KG hat nun die Anträge der Amtsparteien abgewiesen und damit grundsätzlich die Rechtfertigung der strittigen Vereinbarungen nach Art 101 Abs 3 AEUV anerkannt.

Das KG stützte sich dabei maßgeblich auf die Aussage des „beklagten“ Verlages, dass - bei Wegfall der Preisbindung des Einzelhandels - der Verlag die Remission (die kostenlose Rücknahme nicht verkaufter Exemplare) in Österreich nicht mehr durchführen und stattdessen Festmengen ohne Remission vertreiben würde. Dies hätte zur Folge, dass die Anzahl der ausgelieferten Pressetitel reduziert und verschiedene Einzelhandelsstellen nicht mehr beliefert würden. Folglich sei laut KG das Preisfestsetzungsrecht kausal für die Verbrauchervorteile eines vielfältigen Warenangebotes („Titelvielfalt“) und der Lieferung in möglichst viele Gebiete und an möglichst viele Händler („Überallerhältlichkeit“ bzw „Ubiquität“).

In der Frage der Rechtfertigungsvoraussetzungen stützt sich das KG maßgeblich auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen. Zur „angemessenen Verbraucherbeteiligung“ führte das KG aus, dass die Beibehaltung eines breiten Warenangebots einen wesentlichen Vorteil für die Mehrzahl der Verbraucher darstelle. Dieser Vorteil könne nicht aufgewogen werden durch geringfügige Kostenvorteile, die sich im Fall der Untersagung der Preisbindung daraus ergäben, dass im Rahmen von Sonderaktionen des Lebensmitteleinzelhandels für marktgängige Erzeugnisse Preisreduktionen um einige Cent pro Exemplar gewährt würden. Im Ergebnis sah das Kartellgericht sowohl die Preisbindung als auch den absoluten Gebietsschutz als unerlässlich für die Gewährleistung der genannten Vorteile an.

Auch die negative Freistellungsvoraussetzung der Wettbewerbsausschaltung sah das KG nicht für gegeben an: Der Wettbewerb zwischen Verlagen und der Wettbewerb der Pressegrosso-Unternehmen um Verlagskunden werde durch die strittigen Vereinbarungen nicht ausgeschaltet. Außerdem stünden Einzelhändler über Sortimentsbreite und die Warenpräsentation untereinander im Wettbewerb.

Dass deutsche Zeitschriften in Österreich teurer sind als in Deutschland, führt das KG auf etliche sachliche Faktoren zurück: nämlich auf ein höheres Remissionsrisiko und fehlende Finanzierungsbeiträge durch Werbung für die in Österreich verkauften Exemplare, auf höhere Umsatzsteuer, höhere Transportkosten und höhere Handelsspannen für deutsche Verlage. Insgesamt lehnte das KG aber die Prüfung der Angemessenheit der Preise des beklagten Verlags in Deutschland und in Österreich ab, da die Preisunterschiede kein Hinweis auf das Fehlen von Preiswettbewerb darstellten.

Die Amtsparteien haben im Hinblick auf die klaren Sachverhaltsfeststellungen des KG kein Rechtsmittel erhoben. Das KOG überprüft nämlich als Rechtsmittleinstanz lediglich Rechtsfragen und nicht auch Tatsachenfeststellungen. Auch das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen, das die Entscheidung des KG maßgeblich stützt, ist damit de facto einer Überprüfung entzogen.