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40. Competition Talk der BWB zum Thema "Compliance und Kartellrecht"

Am 13.11.2018 fand der bereits 40. Competition Talk der BWB in Innsbruck, im Management Center Innsbruck (MCI), statt.

Als Vortragende referierten Mag. Philipp Abbrederis (Leiter Recht und Einkauf BRZ GmbH), Dr. Anastasios Xeniadis, LL.M. (Leiter der Prozessabteilung der BWB) sowie Mag. Barbara Seelos (Referentin der BWB). Dr. Bernhard Kofler-Senoner, LL.M. (Rechtsanwalt und Partner bei CHSH Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati) moderierte die Veranstaltung. Die Vorträge wurden auf Video aufgezeichnet und stehen am BWB-YouTube-Channel zur Verfügung.

Eröffnung durch GD Dr. Theodor Thanner

GD Dr. Theodor Thanner eröffnete die Veranstaltung und bedankte sich einerseits bei den zahlreich erschienenen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für das Interesse am Competition Talk der BWB sowie dem Thema Compliance und Kartellrecht, andererseits beim Management Center Innsbruck (MCI), welche den Veranstaltungsort zur Verfügung gestellt haben.

Als Leiter der BWB ist es besonders wichtig Prävention auch zu leben. Dies nicht nur nur in Wien, wo sich die Dienststelle der BWB befindet, sondern auch in alle Landeshauptstädte und so wichtige Themenfelder zu erklären und zu erläutern. Abschließend sprach GD Dr. Thanner seinen Dank auch RA Dr. Kofler-Senoner aus, auf dessen Initiative hin dieser Competition Talk in Innsbruck stattfand und bat Herrn Prof. Frischhut (Inhaber des Jean Monnet-Lehrstuhl für europäische Integration und Ethik und Fachbereichsleiter) um seine Worte.

 

Begrüßung durch FH-Prof. Dr. Markus Frischhut, LL.M.

Einleitend richtete Prof. Frischhut die besten Wünsche für eine erfolgreiche Veranstaltung von MCI-Rektor Andreas Altmann aus, der leider terminlich verhindert war und deshalb an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnte. Prof. Frischhut bedankte sich bei GD Dr. Thanner, den Competition Talk der BWB nach Tirol hier ans MCI gebracht zu haben und sprach herzlichen Dank auch an RA Dr. Kofler-Senoner aus. Der Slogan der BWB: „Weil es uns um Fairness geht“ wird auch hier am Jean Monnet-Lehrstuhl für europäische Integration und Ethik des MCI gelebt. Auch die Prävention, Transparenz und die damit verbundene Öffnung nach außen sind überaus.

Prof. Frischhut strich die Wichtigkeit der Veranstaltungsreihe Competition Talk hervor und sprach seine Freude aus, dass diese im MCI abgehalten wurde. „Als Fachhochschule ist uns die Verbindung von Wissenschaft und Praxis sehr wichtig, ich wünsche Ihnen allen eine gute und gelungene Veranstaltung und möchte mich nochmals bei der BWB bedanken“., so Prof. Frischhut.

 

Vortrag von Mag. Abbrederis

Mag. Abbrederis ging in seinem Vortrag vorallem darauf ein, worin der Sinn und Zweck von Compliance liegt. Dies ist wichtig zu erklären, da der Mehrwert, den die Compliance bieten kann oft nicht erkannt wird. Es wird seitens des Unternehmens oft viel zu wenig reflektiert, was dieses eigentlich davon hat. Was ist Compliance ganz allgemein: Das Einhalten von Regeln. Hier muss man unterscheiden zwischen den Regeln, die von außen aufgestellt werden, an die man sich halten muss, also beispielsweise Gesetze, Verordnungen etc. und auf der anderen Seite die Regeln, die sich ein Unternehmen selbst gibt. An diese sollen und müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens halten. Sie können Unternehmen gestalten und damit kann sich ein Unternehmen den wirtschaftlichen Raum schaffen, den es belegen möchte.

Die erste Botschaft, die Mag. Abbrederis mitgeben möchte lautete: Compliance ist auch eine Begrenzung des wirtschaftlichen Handelns, aber ein gutes CMS definiert vor allem den Spielraum, den es innerhalb dieser Grenzen nutzen und mit dem es sich auch von anderen Unternehmen unterscheiden kann. Welchen Mehrwert bringt Compliance für ein Unternehmen? Folgende vier Punkte sind wichtig für ein gutes Compliance-System: Kontinuität, Integrität, Sicherheit und Entwicklung. Wenn ein Unternehmen erfolgreich sein will, muss es all diese vier Bereiche beachten. Compliance kann Unternehmen in all diesen Bereichen entscheidend unterstützen.

Compliance ist keine „Moderscheinung“ und auch keine „lästige Plicht“, sondern es verbessert die Kostenstruktur, die Risikoplanung eines Unternehmens, es erhöht den Wert einer Marke und es hat allgemein einen positiven Einfluss auf die Unternehmensentwicklung, so Mag. Abbrederis.

Beim Thema Kontinuität und Nachhaltigkeit beispielsweise ist das Einhalten von Regeln, das Vermeiden von Rechtsbrüchen und Rechtsverstößen die Grundlage von Compliance. Ohne dieser wird es keinen nachhaltigen Geschäftserfolg geben. Unternehmen erhalten bessere Konditionen, wenn sie ein gutes Compliance-Management-System nachweisen können. In der Praxis ist es immer öfter zu beobachten, dass Banken bessere  Finanzierungskonditionen gewähren, wenn Compliance-Systeme vorhanden sind. Das Vertrauen in ein Unternehmen wird dadurch auch gestärkt.

Eine strukturierte Compliance, eine Ordnung im Regelwerk, erleichtert auch die Prüfung eines Unternehmens durch seine Organe, vor allem auch durch die Aufsichtsorgane und Prüfungen auch schneller durchgeführt werden können. Damit wird auch ein Baustein dazu geliefert bessere Prüfungsergebnisse zu bringen.

Die Integrität eines Unternehmens, das Vertrauen, dass die Marktteilnehmer in Unternehmen haben wird in der heutigen Zeit immer wichtiger und ist auch ein immer wichtigerer Baustein in einem getrennten Markt, wodurch sich Unternehmen voneinander unterscheiden können. Integrität hat auch immer mehr Einfluss auf den Wert einer Marke. Gutes Beispiel ist hier Google, das sich selbst den Claim „Don't be evil“ gegeben hat. Hier wird natürlich ein Gedanke dahinterstecken. Hier steckt keine Innovation darin und auch keine Digitalisierung, sondern es dient alleine dazu, Vertrauen in das Unternehmen zu schaffen. Dieses Vertrauen nehmen auch gerne die Geschäftspartner an und in der Regel arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lieber in einem Unternehmen, das nicht ständig in den Negativschlagzeilen der Medien ist.

Compliance fördert auch die Sicherheit in einem Unternehmen, sei es Datensicherheit, Datenschutz oder Arbeitnehmer-Sicherheit. Der Beitrag den Compliance zur Unternehmensentwicklung leisten kann ist vor allem auch bei der Prozessoptimierung zu sehen. Ein gutes Compliance-System baut stets darauf auf, Regeln zu vereinfachen, Regeln überdenken und das ist der Grundbaustein einer Prozessoptimierung. Es kommt zur Optimierung der Abläufe und damit zu einer Effizienzsteigerung auf der Kostenseite.

Im Herbst 2018 hat das Compliance Netzwerk Österreich eine Umfrage veröffentlicht, wonach 96% der Unternehmen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben der Ansicht sind, dass Compliance-Management-Systeme die Reputation Ihres Unternehmens schützt. Hier wird also die Schutzfunktion, also die Bereiche Kontinuität und Sicherheit in den Vordergrund gestellt. 40% der Unternehmen sehen keinen Wettbewerbsvorteil durch Compliance. Es gibt aber auch für diese Unternehmen gute Argumente ein Compliance-Management-System aufzubauen. Wenn etwas in Österreich nicht freiwillig geschieht, dann muss man es mit Zwang vorschreiben. Dies kommt in vielen Bereichen etwa in regulierten Sektoren in der Finanzbranche vor. Dort ist Compliance vorgeschrieben, wenn diese fehlt gibt es einerseits Strafen bzw lässt die Behörde die Geschäftstätigkeit nicht zu.

Compliance ist auch immer eine Obliegenheit, hier ist vor allem die Business Judgement Rule zu nennen, wonach der Geschäftsführer das Unternehmen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes auf Grundlage angemessener Informationen zu führen und sich nicht von sachfremden Interessen zu leiten hat. Diese Business Judgement Rule werden immer wieder auch als Compliance angesehen, die die ordentliche Geschäftsführung unterstützt. Wenn ein Management nachweisen kann, dass es seine Entscheidung auf einer ordentlichen Grundlage getroffen hat, dass es durch einen strukturierter Prozess so gut wie möglich gewährleistet, dass ihm Regelverstöße bekannt sind und damit die Entscheidung ein noch besseres Niveau haben, umso leichter kann ein Management nachweisen, dass es sich an die Business Judgement Rule gehalten hat.

Bei der erwähnten Umfrage wurde auch die Frage gestellt, warum  Unternehmen ein Compliance Management System eingeführt haben. 25% der Unternehmen gaben an, dass der Grund ein Anlassfall war, also ein Regelverstoß stattgefunden hat. 25% der Unternehmen haben sich damit die Chance vertan, mildere Rechtsfolgen dadurch zu erlangen. Immer mehr Gerichte und Behörden anerkennen, wenn ein Unternehmen ein ernsthaftes und gutes CMS betreibt und damit nachweisen kann, dass es sich bereits im Vorfeld bemüht hat alles Erforderliche getan zu haben um Regelverstöße zu vermeiden.

Zusammenfassend definieren Compliance, Regeln und das strukturierte Überwachung dieser Regeln einen Spielraum innerhalb dessen ein das Unternehmen arbeiten kann. Der zweite Punkt ist regelkonformes Verhalten und die transparente Darstellung dieses regelkonformen Verhaltens erhöht den Marktwert eines Unternehmens und verbessert seine Prozesse wodurch dieses effizienter ist. Drittens hinterlassen Unternehmen mit einem guten Compliance-Management-System einen positiven Eindruck bei Behörden und Gerichten, so Mag. Abbrederis abschließend.

 

Fachgespräch Dr. Kofler-Senoner, Dr. Xeniadis und Mag. Seelos

Im Folgenden geben Dr. Xeniadis und Mag. Seelos die Sicht der BWB zu diversen Fragestellungen betreffend Compliance in Unternehmen und die Praxis der BWB wider, moderiert und kommentiert von Dr. Kofler-Senoner.

Der erste Themenblock betraf vor allem die Frage, ob und weshalb Compliance-Systeme im Unternehmen implementiert werden sollen und wie ein effektives und effizientes Compliance System aufgebaut werden kann.

Einleitend erläuterte Dr. Kofler-Senoner die Frage, weshalb Unternehmen Compliance implementieren sollten. Aus Praxis-Sicht sei dies stets eine Risikoabwägung.

Dr. Kofler-Senoner: Von Unternehmen hört man vermehrt, dass es immer mehr und komplexere Regeln gibt und der effiziente Umgang damit eine große Herausforderung darstellt. Rechtsfolgen im Fall von Kartellverstößen sind nicht nur die unmittelbaren Geldbußen sondern Reputationsschäden, mögliche Schadenersatzansprüche Geschädigter, etc. Welchen Stellenwert nimmt das Thema Compliance für die primär als Ermittlungsbehörde eingerichtete BWB ein?

Mag. Seelos: Compliance wird in unserer Arbeit tatsächlich immer mehr und mehr ein wichtiges Thema. Dies ist wohl auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Zum einen liegt es in der Bewusstseinsschaffung, dass die gesetzlichen Regelungen immer mehr werden, ebenso auch die Verfolgung von Verstößen. Auch spielt das Kartellrecht in der juristischen Ausbildung eine immer größere Rolle. Als ich beispielsweise noch studiert habe, hat es keine Vorlesung zu Kartellrecht an der Universität gegeben. Jetzt gibt es schon viel mehr Angebot, sei es von unserer Seite oder auch an der Uni, wo es eigene Lehrstühle zu Kartellrecht gibt. So kommt es zu einer neuen Kultur, die sehr positiv zu begrüßen ist.

Die Gründe für Compliance kann man unterteilen in volkswirtschaftliche und in betriebswirtschaftliche Gründe, die Mag. Abbrederis schon sehr gut abgedeckt hat. Wenn man sich die volkswirtschaftlichen Gründe ansieht, dann wirkt sich gute Compliance vor allem auf den Wirtschaftsstandort aus. Compliance-fitte Unternehmen sind zukunftsorientierte Unternehmen, weil sie innovativ sind, Investitionen tätigen und Arbeitsplätze schaffen. Sie halten dem Wettbewerb stand und genau hier ist auch die BWB tätig. Die Unternehmen sollen einen Markt vorfinden, wo sie wettbewerblich tätig sein können. Das Ziel der BWB ist daher nicht, dass wir den einzelnen Wettbewerber schützen, sondern den Prozess an sich. In Folge dessen soll auch die Konsumentenwohlfahrt maximiert werden, wo aufgrund von mehr Wettbewerb mehr Innovation getätigt wird, es eine größere Auswahl an Produkten gibt und ein Wettbewerb um den Preis stattfindet.

Dr. Xeniadis dazu ergänzend: Es liegt auch eine Präventionsgedanke in unseren Veranstaltungen. Die BWB kann nicht überall sein, daher ist es wichtig, dass sichergestellt wird, dass Verstöße überhaupt erst nicht entstehen und so Schaden für den Wettbewerb hintangehalten bleibt. Das Interesse ist daher gegeben, dass Compliance auch anerkannt wird. Diese soll auch gelebt werden in den Unternehmen.

Dr. Kofler-Senoner aus anwaltlicher Sicht ergänzend: Im Austausch mit Unternehmen ist es eines der wesentlichsten Kriterien: Was kann passieren, wie hoch ist das Aufgriffsrisiko? Und wenn ein Verstoß aufgegriffen wird, was sind dann die Rechtsfolgen? Hier ist ganz wesentlich: Prävention ist sicherlich der wesentliche Treiber für Compliance, eine entsprechende Risikoabwägung gehört dabei unmittelbar dazu. Man sieht, dass die Ermittlungstätigkeit der Behörden und auch die Aufgriffswahrscheinlichkeit wesentlich höher ist als 10 Jahre zuvor. Die für die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens schmerzhaftestes Sanktion ist oft gar nicht die Geldbuße, sondern etwa vergaberechtliche Folgen, wenn man sich beispielsweise an öffentlich-rechtlichen Ausschreibungen beteiligen möchte. Man kommt unter gewissen Voraussetzungen auch rasch ins Strafrecht hinein und da ist der Gedanke der Prävention noch viel wichtiger. Daher ist die Geldbuße nur ein Teil eines Risikos, das Unternehmen haben, wenn sie Compliance vernachlässigen.

Dr. Xeniadis: Die BWB hat schon etwa 140-150 Hausdurchsuchungen durchgeführt, auch in Tirol ein gutes Dutzend. Die dichte Ermittlungstätigkeit der Behörde macht eine Aufdeckung wahrscheinlich. Die westlichen Bundesländer, wie Vorarlberg und Tirol sind deshalb häufiger vorgekommen, weil Unternehmen etwas kleiner sind und vor etwa 5-10 Jahren noch nicht so stark compliancegesteuert waren. Es ist ein Prozess, der erst in den letzten Jahren immer mehr gekommen ist und die größeren Unternehmen haben tendenziell eine Compliancestruktur gehabt, die aus dem Ausland gesteuert war und etwas früher eingetreten ist.

Mittlerweile hat die BWB aber auch bei den Ermittlungen vor Ort gesehen, dass die meisten mittelständischen Unternehmen eine sehr gute Compliancestruktur haben. Oft ist es auch so, dass Verstöße eingestellt wurden, bevor es Hausdurchsuchungen im Unternehmen gab. In einem solchen Fall haben wir dies konkret als Milderungsgrund bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt. Das kann sich daher für ein Unternehmen lohnen. Auch deshalb weil sich die Höhe einer Geldbuße auch nach der Dauer des Verstoßes richtet. Auf EU-Ebene gilt nämlich grundsätzlich eine Multiplikatorregel: Für jedes weitere Jahr wird der sogenannte Grundbetrag mit einem weiteren Faktor multipliziert. Beispielsweise wird für 4 Jahre mal 4, bei 7 Jahre mal 7 multipliziert. Das heißt die Dauer kann auch ein wichtiger Faktor sein, selbst wenn ein Verstoße stattgefunden hat.

Dr. Kofler-Senoner: Nehmen wir den Fall an, ein Unternehmen hat zwar ein Compliance-Programm, es kommt aber trotzdem zum Kartellverstoß. Soll die Tatsache, dass es ein Compliance-Programm gegeben hat einen Milderungsgrund darstellen? Die Europäische Kommission hat zeitweise in der Vergangenheit sogar argumentiert, dass ein fehlgeschlagenes Compliance-System ein Erschwerungsgrund sein könnte. Wie sieht das die BWB?

Dr. Xeniadis: Als Erschwerungsgrund würden wir es nicht ansehen. Angesprochen ist jedoch der Normallfall einer ordnungsgemäßen Compliance, die nicht der Verdeckung dient. Die BWB hat Compliance in der Vergangenheit durchaus schon berücksichtigt, wie erwähnt, wenn der Verstoß selbstständig vor der Ermittlung eingestellt wurde. Die BWB hat sich dazu in den letzten Monaten überlegt, wie man ganz generell mit Compliance umgehen kann. GD Dr. Thanner hat dazu einige Überlegungen gemacht und in einem Artikel gemeinsam mit Mag. Becka publiziert. 

Wenn man den Kern der Überlegungen wiedergibt, geht es darum, dass Compliance von der Leitung getragen und auch ernst genommen wird und diese Compliance-Kultur auch an die Mitarbeiter weitervermittelt werden soll. Compliance soll gelebt werden, das bedeutet, es handelt sich nicht um ein Dokument, das in der Schublade verschwindet, sondern kommt zur Anwendung und wird auch eingeübt, beispielsweise bei sogenannten Mock Dawn Raids (simulierten Hausdurchsuchungen). Hervorgehoben wurde auch, dass auch nach der Ermittlung eine weitere Kooperation seitens des Unternehmens stattfindet und sichergestellt wird, dass der Verstoß in Zukunft nicht mehr stattfindet. Dieser Punkt ist besonders wichtig, es ist unser Ziel zukünftige Verstöße hintanzuhalten. Auch eine Kooperation mit der Behörde bei der Aufklärung ist essentiell. Niemand muss einen Verstoß zuerkennen, es ist allerdings wünschenswert, dass wenn ein Unternehmen, das einen Verstoß begangen hat in weiterer Folge auch klarstellt, dass man sich davon distanziert, indem man mit der Behörde bei der Aufklärung kooperiert und auch klar festhält, wie man in Zukunft einen weiteren Verstoß vermeiden will. Das gilt alles unter der Prämisse: Prävention ist besser als Repression.

Alle Ermittlungen, die die BWB vornimmt, haben auch generalpräventiven Gedanken. Es gibt, wie bereits Dr. Kofler-Senoner erwähnt hat, ein erhöhtes Risiko der Aufdeckung. Auch die Möglichkeit des Kronzeugenantrages sorgt für eine Unsicherheit in Kartellen. All das sind wichtige Komponenten und Teil der Prävention der BWB.

Dr. Kofler-Senoner: Bevor man Regeln aufstellt, sollte man sich als Unternehmen zunächst damit befassen, welchen konkreten Risiken das Unternehmen in den jeweiligen individuellen Arbeitsbereichen, in denen die Mitarbeiter tätig sind, ausgesetzt ist. Nur dann kann sich das Unternehmen effektiv und effizient um Risikobereiche kümmern.

Es macht etwa einen Unterschied, ob es sich um ein Handels- oder ein Produktionsunternehmen handelt, ob man mit Wettbewerbern kommuniziert, oder in welcher Branche man tätig ist. All dies ist für die Identifizierung tatsächlicher Risikobereiche relevant. Nur so können Regeln auf die konkreten Bedürfnisse eines Unternehmens angepasst werden.

Teil dieser Risikoabwägung ist auch die Prioritätensetzung der Behörden. Diese hilft, die Frage zu beantworten, ob ein konkretes Unternehmen mit höherer oder niedrigerer Wahrscheinlichkeit im Fokus einer Wettbewerbsbehörde stehen kann. Das betrifft sowohl die Europäische Kommission als auch die nationalen Wettbewerbsbehörden wie die BWB. Dies führt mich zur nächsten Frage: welche Prioritäten werden derzeit seitens der BWB gesetzt?

Mag. Seelos: Ein guter Hinweis dafür ist der von der BWB jährlich publizierte Tätigkeitsbericht, der auf Homepage zu finden. Die Bereiche, die wir uns in den letzten Jahren angesehen haben waren beispielsweise der Onlinehandel, Elektronikhandel, Sportartikelhandel, Lebensmitteleinzelhandel, Speditionen Stahlhandel etc. Grundsätzlich sind wir als Behörde mit etwa 30 Referentinnen und Referenten tätig, darüber hinaus ist die BWB in einem engen Netzwerk mit der Europäischen Kommission sowie anderen Wettbewerbehörden, dem sogenannten European Competition Network (ECN) eingebunden. Dort arbeiten wir eng mit anderen Wettbewerbsbehörden zusammen und können Informationen und den Ermittlungsstand austauschen uns gegenseitig unterstützen.

Dr. Xeniadis ergänzend: Die von meiner Kollegin angesprochene Kooperation ist sehr wichtig. Die österreichischen Wettbewerbsnormen sind den europäischen sehr ähnlich. Im materiellen Kartellrecht gibt es sehr große Überschneidungen auch dank der Vorrangsregelung des Art 3 der VO 1/2003. Es hat hier eine sehr starke Harmonisierung stattgefunden. Warum ist die Kooperation mit anderen Wettbewerbsbehörden so wichtig? Wir haben regelmäßig Vorgänge, wo Verstöße im Ausland stattfinden. Beispielsweise sitzen die Unternehmen in Bayern zusammen und besprechen ein Kartell. Dieses wirkt sich daraufhin in Österreich aus. Aufgrund des Auswirkungsprinzip ist daher die BWB zuständig, wenn sich die Verhaltensweisen auf Österreich auswirken.

Es gab in solchen Fällen in der Vergangenheit auch Ermittlungen, bei denen in Deutschland gemeinsam mit dem Bundeskartellamt Hausdurchsuchungen durchgeführt worden sind. Diese Ermittlungen haben dann in weiterer Folge auch zu einer Geldbuße geführt.

Grundsätzlich kann man sagen, in welchem Bereich die BWB tätig wird ist vorher schwer abschätzbar. Regelmäßig ist es so, dass wir eine Beschwerde etwa von einem Insider (zB Kronzeugen oder Mitarbeiter des Unternehmens) erhalten. Dann liegt zumindest ein Anfangsverdacht vor, auf dessen Grundlage wir die weiteren Ermittlungen aufbauen können. Hier ist auch das Hinweisgebersystem (Whistleblowingsystem) zu nennen. Seit Februar 2018 ist es möglich bei der BWB anonym Eingaben zu übermitteln und mit der BWB zu kommunizieren. Es ist uns sehr wichtig, dass die Informanten auch dementsprechend Schutz genießen, da es durchaus schon vorgekommen ist, dass diese bei ihrem Arbeitgeber oder auch danach Nachteile widerfahren haben und beispielsweise Probleme bei der Jobsuche hatten.

Daher ist es uns ein besonderes Anliegen über ein abgesichertes System anonym mit der Behörde zu kommunizieren. Der Informant erhält einen Code, womit auch nach dem Erstkontakt nachfragen gestellt werden können. Dies ist weit mehr effizienter als one-way Kommunikationen, bei denen keine weiteren Fragen gestellt und so die Ermittlungen nicht erfolgversprechend aufgenommen werden können.

Viele Unternehmen haben auch die Möglichkeit Verstöße intern bei einer Whistleblowing-Stelle zu melden. Dabei ist wichtig, dass die Informanten nicht zu befürchten haben, dass sie in weiterer Folge Nachteile erleiden. Das abzusichern ist auch eine Ausgestaltung der Unternehmenskultur im Rahmen der Compliance.

GD Dr. Thanner ergänzend zum Fokus der BWB: Derzeit sind eine Vielzahl an Themen aktuell, beispielsweise Bestattungsmarkt, Skiliftkartenpreise, Bausektor, Digitales. Bei letzterem kann man schon jetzt behaupten, dass die sogenannten digitalen Giganten, neben den 3 klassischen Gewalten Legislative, Judikative und Exekutive sowie der 4., die Medien, die 5. Gewalt im Staat darstellt. Hier wird genau zu analysieren sein, wie man mit diesen digitalen Unternehmen umgeht. Hier muss man vernünftige Lösungen andenken. Ich halte viel davon in vielen Bereichen das Kartellrecht neu zu denken und technische Entwicklungen zu berücksichtigen. Beispielsweise betreffend die Marktabgrenzungen. Hier wird man nicht umhinkommen sich auch neue Marktanalysemethoden zu überlegen. Die klassischen Marktabgrenzungen wird es nicht mehr geben. Der Markt endet nicht an der Grenze. Ein spannendes Thema sind auch Algorithmen, hier sind wir der Meinung, dass der Algorithmus dem zuzurechnen ist, der ihn programmiert bzw. einsetzt.

Im Rahmen eines eigenen Competition Talk Anfang 2019 wird sich die BWB auch mit dem Thema Blockchain auseinandersetzen. Im Dezember wird es noch einen Competition Talk zum Thema Schiedsgerichtsbarkeit und Wettbewerb geben.

Dr. Kofler-Senoner: Was sind praktisch wichtige Punkte, um die man sich kümmern sollte, wenn man sich nach erfolgter Risikodefinierung dem Thema Compliance nähert?

Dr. Xeniadis: Es gibt unterschiedliche Maßnahmen, die man hier treffen kann, von Handbüchern über Schulungen bis hin zu simulierten Hausdurchsuchungen, den sogenannten mock dawn raids. Letzteres ist gut um die Prozesse einzuüben; funktionieren etwa die Abläufe, werden die richtigen Personen informiert usw? In der Praxis sieht das meistens so aus, dass ein Anwaltsteam kommt und vorgibt von der Europäischen Kommission oder von der BWB zu sein. Diese Vorgehensweise sollte jedoch immer mit größter Vorsicht ausgestaltet werden, da das Ausgeben als Beamter den strafrechtlichen Tatbestand der Amtsanmaßung erfüllen könnte. Auch aus anderen Gründen sollte man vorsichtig sein, nicht dass etwa ein Unfall passiert und beispielsweise Unterlagen und Festplatten vernichtet werden oder Wettbewerber informiert werden, dass eine Hausdurchsuchung stattfindet.

Grundsätzlich werden Hausdurchsuchungen nur in Unternehmen durchgeführt. Es gab jedoch einmal den Fall – es betraf übrigens eine Hausdurchsuchung in Tirol – bei dem ein Privathaus durchsucht wurde. Der Hintergrund war, dass beim Unternehmen festgestellt wurde, dass diese Person ein Homeoffice hatte und auch dort Unterlagen am PC gelagert waren. Deswegen wurde ein weiterer Hausdurchsuchungsbefehl erwirkt.

Dr. Kofler-Senoner dazu ergänzend: Dem kann ich nur zustimmen, jeder profitiert, wenn die Unternehmen die Regeln kennen. Wenn Unternehmen nicht vorbereitet sind, können Konfliktsituationen auftauchen, die leicht zu vermeiden gewesen wären. Dies ist durchaus auch im Sinne der BWB. Es geht hier um die Vorbereitung von Unternehmen auf Situationen und nicht etwa um Vernichtung von Unterlagen.

Mag. Seelos dazu ergänzend: Es kommt immer wieder in der Praxis vor, dass wenn wir bei Unternehmen vor Ort sind beispielsweise Leitlinien aufliegen, wie man bei einer Hausdurchsuchung der BWB oder sonstiger Behörden vorgeht. Man muss sich vorstellen, das sind Stresssituationen für einzelne Mitarbeiter, die vielleicht mit dem von der BWB im Fokus befindlichen Verstößen überhaupt nichts zu tun haben. Es kann daher durchaus die Situation für administratives Personal, wie etwa den Empfang oder das Sekretariat erleichtern. Es ist daher gut eine Handlungsanleitung zu haben, da es den einzelnen Mitarbeitern in dieser Situation einfach Sicherheit gibt.

Dr. Kofler-Senoner: Ein weiteres in der Praxis wichtiges Thema ist Dokumentenmanagement. Wie wird dieses gestaltet? Hat etwa das Unternehmen einen entsprechenden Überblick über die Kommunikation der eigenen Mitarbeiter? Die Kommunikation läuft heute vor allem über E-Mail und andere elektronische Kanäle wie Chats. Gibt es etwa E-Mail-Boxen, die unstrukturiert im Unternehmen existieren? Es ist sicher ein Vorteil für jedes Unternehmen zu wissen, welche Dokumente im Unternehmen vorhanden sind und nach welchen Vorgaben, diese von Mitarbeitern zu strukturieren sind. Wie sieht das etwa bei Hausdurchsuchungen aus, welche Rechte hat die BWB auf Daten zuzugreifen? Wird auch im Sinne einer effizienten Vorgehensweise versucht, den Bereich der Suche auf konkrete Unterlagen einzugrenzen?

Mag. Seelos: Die BWB hat dazu einen Leitfaden herausgegeben, wo genau diese Dinge geregelt werden. Hier werden die Rechte und Pflichten des Unternehmens dargestellt und in Frage-Antwort-Form erklärt. Auch wird der große Teilbereich, wie der Umgang mit elektronischen Daten erfolgt, abgedeckt. Es sind in Unternehmen sehr viele Daten gespeichert, vielmehr noch als beispielsweise Papierunterlagen in Archiven vorhanden sind. Oft werden die Daten nicht lokal am Unternehmenssitz, sondern extern oder in einer Cloud gespeichert. Hinsichtlich der Dokumente ist zu sagen, dass die BWB berechtigt ist, Einsicht in alle Unterlagen zu nehmen. Die BWB erfüllt hier einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl und prüft, ob der Verdacht besteht oder nicht.

Dr. Xeniadis dazu ergänzend: Die BWB nimmt alles, was im rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht, als relevante Dokumente mit. Das kann manchmal ziemlich weit sein.

Bei jeder Ermittlung hat das Unternehmen Einsicht in das sichergestellte Material der BWB. Es gibt dazu auch eine Abschlussbesprechung und das Unternehmen kann sich äußern. Es ist dabei jedoch nicht möglich über jedes Dokument einzeln zu diskutieren, ob dieses dann auch mitgenommen wird oder nicht. Bewährt hat sich beispielsweise auch, dass das Unternehmen der BWB im Nachhinein mitgeteilt hat, welche Aktenseiten überhaupt nichts mit der Ermittlung zu tun haben und einige Unterlagen dann durch die BWB aussortiert wurden.

Hinsichtlich Dokumentenmanagement ist es auch für die BWB durchaus von Interesse zu wissen, wer hat was wo abgespeichert. Hier sprechen wir zu Beginn der HD meistens mit dem IT-Verantwortlichen. Dieser kann uns durchaus helfen, auch im Interesse des Unternehmens, da wir dann vor Ort gesonderte Auswertearbeitsplätze erhalten und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter wieder zügig freigegeben werden können.

Wichtig ist eine grobe Auswertung vor Ort, wenn man nämlich in das Unternehmen kommt hat man oft mehrere Personen als Ziel. Diese Personen ändern sich jedoch, es können welche hinzugekommen sein, oder auch wegfallen (zB durch Austritt). Zum Dokumentenmanagement ist noch zu sagen, dass ich mir zusätzlich zu zentral gespeicherten Daten jedes Mal natürlich auch die lokal gespeicherten Daten an, weil immer wieder das eine oder andere Dokument dabei ist, das interessant für die Ermittlungen sein könnte, wovon die Unternehmensleitung vielleicht – aus welchem Grund auch immer – keine Ahnung hat.

 

Schlussworte

Nochmals hervorzuheben ist hier klar die Transparenz. Das gesamte Prozedere bei Hausdurchsuchungen der BWB gibt es als Leitfaden auf der Homepage herunterzuladen. Die BWB ist die einzige Stellen in Österreich und auch in Europa, die einen Leitfaden zu Hausdurchsuchungen veröffentlicht hat, worin die Rechte und Pflichten von Unternehmen und der BWB klar beschrieben sind.

Für diesen Leitfaden wurde die BWB im April 2018 auch mit dem Antitrust Writing Award in der Kategorie „Best Soft Law“ ausgezeichnet.

Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass Transparenz in der Verwaltung auch Zukunft hat“, so GD Dr. Thanner abschließend.

 

Ausblick

Nach der Diskussionsrunde bedankte sich GD Dr. Thanner nochmals bei den Speakern sowie den Gästen des Competition Talk und wies auf den 41. Competition Talk zum Thema „Schiedsgerichtsbarkeit und Wettbewerb“ hin, der am 18.12.2018 in Wien stattgefunden hat.

 

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